Bei Klima-Treffen in New York Greta legt Menschenrechts-Beschwerde gegen Deutschland ein

New York · Beim UN-Klimagipfel in New York holte Greta Thunberg die harten Bandagen heraus. Die schwedische Aktivistin griff die Staatengemeinschaft hart an und reichte eine Menschenrechtsbeschwerde zum Klimawandel ein.

 Greta während ihrer Rede in New York.

Greta während ihrer Rede in New York.

Foto: AFP/STEPHANIE KEITH

Im Grunde, sagt Greta Thunberg, sei völlig falsch, was sie hier tue. Eigentlich müsste sie, am anderen Ufer des Ozeans, in der Schule sitzen statt hier oben auf dieser Bühne. Nun aber kämen alle zu ihr, damit sie ihnen Hoffnung einflöße. „Wie könnt Ihr es wagen! Mit euren leeren Worten habt Ihr meine Träume und meine Kindheit gestohlen“, beschwert sie sich über die Politiker dieser Welt. Und doch, sagt die 16-Jährige aus Schweden – mit zittriger Stimme, wie man sie sonst von ihr nicht kennt – gehöre sie noch zu den Glücklichen. Anderswo brächen ganze Ökosysteme zusammen. „Wir stehen am Beginn einer massenhaften Auslöschung. Und alles, wovon ihr reden könnt, ist euer Geld, sind eure Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum. Wie könnt Ihr es wagen!“ Und weiter: „Wenn Ihr uns im Stich lasst, werden wir euch nie verzeihen.“

Parallel zum Gipfel reichten Thunberg und 15 weitere Jugendliche aus zwölf verschiedenen Ländern bei der UNO eine Menschenrechtsbeschwerde zum Klimawandel ein, die sich auch gegen Deutschland richtet. Die Beschwerdeführer werfen den Staaten vor, zu wenig gegen den Klimawandel zu tun und damit gegen die Kinderrechte zu verstoßen, wie das UN-Kinderhilfswerk Unicef mitteilte.

António Guterres, der UN-Generalsekretär, hat zum Auftakt des eintägigen Klimagipfels einen „Jugenddialog“ auf die Tagesordnung gesetzt. Seine Generation, räumt er ein, habe versagt. Sie sei ihrer Verantwortung, den Planeten zu schützen, nicht gerecht geworden. Und noch immer gebe es einige, die das Offensichtliche nicht wahrhaben wollten: „Wir stecken im Klimaloch, und um aus dem Loch herauszukommen, müssen wir aufhören, zu graben.“ Doch wenn man jetzt die Laufschuhe anziehe, könne man das Rennen noch immer gewinnen, versucht es Guterres mit einer Metapher.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft sich am Rande des UN-Klimagipfels mit Klimaaktivistin Greta Thunberg. Das Foto wurde von Regierungssprecher Steffen Seibert via Twitter verbreitet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft sich am Rande des UN-Klimagipfels mit Klimaaktivistin Greta Thunberg. Das Foto wurde von Regierungssprecher Steffen Seibert via Twitter verbreitet.

Foto: dpa/Twitter @RegSprecher

Thunberg, der neben einer Aktivistin aus Brasilien und einem Jungunternehmer der Part der Jugend beim „Climate Action Summit“ zugedacht ist, setzt der Poesie des Portugiesen knallharte Prosa entgegen. Ihre Gesichtszüge verraten Empörung, ja, fast Wut, während sie spricht. Es sei ja nun populär, daran zu glauben, dass es reiche, den Ausstoß von Treibhausgasen innerhalb von zehn Jahren zu halbieren. Das aber bedeute nur eine fünfzigprozentige Chance, die Erwärmung der Erde bei unter 1,5 Grad Celsius zu halten.

Kein Zweifel, es ist der Tag der Greta Thunberg, die, ob sie es nun will oder nicht, wie ein Rockstar im Rampenlicht steht. Angela Merkel nutzt die Chance, sich mit der jungen Schwedin fotografieren zu lassen. Beide sitzen, in der Lobby vorm Plenarsaal, in tiefen Sesseln. Von dem Ärger, dem die junge Schwedin auf der Bühne freien Lauf lässt, ist zumindest auf diesem Bild nichts zu spüren.

Kurz darauf kreuzen sich Thunbergs Wege mit denen von Donald Trump, der an diesem Montag mal wieder für eine Überraschung gut war. Eigentlich wollte er der Klimakonferenz fernbleiben und mit einer Veranstaltung über religiöse Freiheit dagegenhalten. Doch kurz bevor der indische Premierminister Narendra Modi ans Pult tritt, setzt sich auch Trump in den Saal der Generalversammlung, um zuzuhören. Wenn auch nur kurz. Gemeinsam mit dem Besucher aus Delhi hat er sich tags zuvor auf einer Kundgebung in Houston von mehreren Zehntausend Menschen feiern lassen, die meisten Amerikaner indischer Herkunft. Dass er sich nun doch auf dem Klimakongress sehen lässt, ist wohl als Geste gegenüber Modi zu verstehen. Nach dem Inder spricht Merkel, und als sie fertig ist, ist auch Trumps Stippvisite vorbei.

Auf drei Minuten, so hatte es Guterres verfügt, sollten Staats- und Regierungschefs ihre Redebeiträge beschränken. Und reden dürfe nur, wer konkrete Klimapläne vorzustellen habe. Zum Auftakt ist es ein Quartett, dem die Ehre zuteil wird: die Neuseeländerin Jacinda Ardern, nach ihr Hilda Heine, die Präsidentin der Marshall-Inseln, einer durch den Anstieg des Meeresspiegels bedrohten Inselgruppe im Pazifik, schließlich Modi und Merkel.

Die Bundeskanzlerin spricht von dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, bis 2022 aus der Kernenergie auszusteigen und spätestens bis 2038 aus der „Kohlekraftwerkswirtschaft“. Deutschland, sagt sie, stelle ein Prozent der Weltbevölkerung, verursache aber zwei Prozent der weltweiten Emissionen. „Wenn alle so handeln würden wie Deutschland, würden sich die Emissionen weltweit verdoppeln. Jeder weiß, was das bedeutet.“ Deshalb habe man sich vorgenommen, bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990 ­
55 Prozent der nationalen Kohlendioxidemissionen einzusparen.

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