Die militärische Lage in der Ost-Ukraine "Es handelt sich um einen Krieg"

Slawjansk · Die Kämpfe in der Ukraine halten unvermindert an: Kiew geht immer massiver gegen die prorussischen Separatisten im Osten vor. Am Samstag meldete die Regierung in Kiew schwere Gefechte in der Stadt Kramatorsk, südlich der umkämpften Separatistenhochburg Slawjansk. Aber auch dort hält die Gewalt an.

Ukraine: Mehrere Tote bei Einsatz in Slawjansk
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Mehrere Tote bei Einsatz in der Ost-Ukraine

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"Was wir in der Region Donezk und in den östlichen Regionen sehen, ist kein kurzlebiger Aufstand. Es handelt sich um einen Krieg", sagte der Leiter des ukrainischen Anti-Terror-Zentrums, Wasil Krutow. Nach der Freilassung der OSZE-Beobachter sollen bei neuen Gefechten in Slawjansk wieder mehrere Menschen getötet worden sein. Ein Sprecher der moskautreuen Aktivisten sagte am Samstag der russischen Staatsagentur Itar-Tass, elf Zivilisten und vier Bewaffnete seien ums Leben gekommen. Eine unabhängige Bestätigung gab es dafür nicht. Die Separatisten erklärten, militante Ultranationalisten hätten im Schutz der Regierungstruppen auf unbewaffnete Bürger geschossen. Im nahen Dorf Andrejewka seien am Vorabend zehn Menschen getötet und 40 verletzt worden. Die Regierung hatte den Tod von zwei Soldaten bekanntgegeben.

Und während im Osten der Ukraine weiterhin Gewalt herrscht, hat Russland nach der Freilassung der OSZE-Beobachter in der Ukraine die Führung in Kiew zu einer Unterbrechung des "Anti-Terror-Einsatzes" gegen moskautreue Separatisten aufgerufen. "Die Volkswehr hat die Männer nicht gegen inhaftierte Gesinnungsgenossen ausgetauscht, sondern sie als Geste freigelassen", sagte der russische Sondergesandte Wladimir Lukin in Slawjansk. "Ich hoffe, dass diesem freiwilligen Schritt als Antwort eine ebenso edle Geste folgt - wünschenswert wären das Einstellen der Kriegshandlungen und ein Dialog", sagte der langjährige russische Menschenrechtsbeauftragte am Samstag dem Fernsehsender Rossija-24.

Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow berichtete unterdessen von schweren Kämpfen mit moskautreuen Aktivisten in der Stadt Kramatorsk bei Slawjansk. Ein wichtiger Fernsehturm sowie mehrere Straßensperren seien in der Hand der Regierungstruppen. "Wir werden nicht nachlassen", betonte Awakow. Zu Opfern machte er keine Angaben. Auch das Hauptgebäude des Geheimdienstes sei wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Die örtliche Zentrale war von prorussischen Rebellen besetzt worden.

Das ukrainische Anti-Terror-Zentrum teilte mit, die Vororte von Slawjansk würden mittlerweile von Sicherheitskräften kontrolliert. "Wir haben alle Zufahrten im Griff", sagte Leiter Wassili Krutow.

An den Krawallen in Odessa vom Freitagabend waren nach ukrainischen Angaben auch Gruppen aus Russland und prorussische Separatisten aus der Nachbarregion Transnistrien beteiligt. Hinter den Ausschreitungen steckten Vertraute des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, die Saboteure finanziell unterstützt hätten, sagt eine Sprecherin des ukrainischen Geheimdienstes SBU.

Nach der Gewalteskalation mit mehr als 50 Toten im Osten und Süden der Ukraine hat Übergangspräsident Oleksander Turtschinow eine zweitägige Staatstrauer zum Gedenken an die Opfer angeordnet. "Der 2. Mai war ein tragischer Tag für die Ukraine", erklärte Turtschinow am Samstag. Er erinnerte "an die Helden, die während des Anti-Terroreinsatzes starben sowie an diejenigen, die bei dem tragischen Vorkommnissen in Odessa starben".

Unterdessen hat Russland nach Angaben des Präsidialamtes den Einfluss auf die Milizen im Südosten der Ukraine verloren. Russland könne die Situation nicht allein lösen, sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Der Regierung in Kiew wirft der Sprecher vor, an den "Verbrechen" in Odessa direkt beteiligt gewesen zu sein.

Tusk: Russland führt in der Ukraine Krieg

Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat Russland vorgeworfen, gegen die Ukraine einen unerklärten Krieg zu führen. "In der Ukraine haben wir es de fakto mit einem Krieg zu tun. Aber es ist eine neue Art von Krieg. Ein Krieg, der nicht erklärt wurde", erklärte Tusk am Samstag als Reaktion auf die gewaltsamen Zusammenstöße in Odessa und der Ostukraine. "Wenn die Opferzahlen in die Dutzende gehen, Schusswaffen im Einsatz sind und Hubschrauber abgeschossen werden, dann ist das eine bewaffnete Konfrontation, die nicht von Demonstranten, sondern von einem Staat, nämlich Russland, organisiert wird."

(dpa)
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