Überraschung in Regierungsbildung Benny Gantz wird neuer Parlamentspräsident in Israel

Jerusalem · In Israel folgt eine politische Überraschung auf die nächste. Nachdem der bisherige Parlamentspräsident beinahe eine Verfassungskrise auslöste, übernimmt das Amt nun Netanjahus Rivale Gantz. Viele von dessen Verbündeten sind entrüstet.

 Reuven Rivlin (m.), Staatspräsident von Israel,  sitzt mit Benjamin Netanjahu (l.), Ministerpräsident von Israel, und Benny Gantz, Ex-Militärchef, bei einem Treffen zur neuen Regierungsbildung an einem Tisch (Archivbild).

Reuven Rivlin (m.), Staatspräsident von Israel, sitzt mit Benjamin Netanjahu (l.), Ministerpräsident von Israel, und Benny Gantz, Ex-Militärchef, bei einem Treffen zur neuen Regierungsbildung an einem Tisch (Archivbild).

Foto: dpa/Koby Gideon

Die israelische Knesset hat Oppositionsführer Benny Gantz zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt. Das Votum am Donnerstag für den politischen Hauptgegner von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kam unerwartet. „Die Demokratie hat gewonnen“, sagte Gantz in seiner ersten Rede als Parlamentspräsident.

In den vergangenen zwölf Monaten trat Gantz in drei Parlamentswahlen an, um Netanjahu aus dem Amt zu werfen. Die Wahlergebnisse brachten jedes Mal keinem der beiden eine Parlamentsmehrheit. Gantz’ Wahl zum Parlamentspräsidenten deutet auf ein Abkommen etwa für eine Einheitsregierung hin, um sich die politische Macht in Israel zu teilen.

Die Abstimmung erfolgte mit 74 zu 18 Stimmen für Gantz; viele seiner politischen Partner enthielten sich, darunter die Hälfte der Abgeordneten seines Bündnisses Blau-Weiß. Frühere Verbündete reagierten verärgert auf die Wahl.

Mit Verweis auf die Corona-Pandemie sagte Gantz: „Dies sind keine gewöhnlichen Tage und sie verlangen ungewöhnliche Entscheidungen. Daher versuche ich, so wie ich gesagt habe, jedwede Möglichkeit auszuschöpfen, eine nationale Notstandsregierung zu bilden.“ Es sollten keine Werte untergraben werden, für die mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger gestimmt hätten. „Netanjahu weiß das.“

Der israelische Fernsehsender Channel 12 TV berichtete, Gantz und Netanjahu hätten sich auf eine Koalition verständigt, unter der Netanjahu Ministerpräsident bleibe und Gantz sein Außenminister werde. Im September 2021 sollten die beiden die Posten tauschen. Blau-Weiß kommentierte den Bericht nicht, Netanjahus Partei Likud bezeichnete das Ganze als „Gerüchte“.

In Israel verschlechtert sich die Corona-Krise von Tag zu Tag. Netanjahu forderte deshalb zuletzt am Mittwochabend eine Notfall-Einheitsregierung. Gantz hatte Netanjahus Angebote in der Vergangenheit mit Verweis auf dessen Korruptionsanklage abgelehnt. Der Beginn des Prozesses verzögert sich wegen des Coronavirus, da größere Zusammenkünfte verboten sind.

In der vergangenen Woche hatte der vorherige Parlamentspräsident Juli Edelstein auch unter Verweis auf die Corona-Krise den Betrieb der Knesset ausgesetzt. Mit dem Schritt wolle er den in Bedrängnis geratenen Netanjahu schützen, warf dagegen die Opposition Edelstein vor. Im Streit mit dem Obersten Gericht trat Edelstein am Mittwoch zurück. Er weigerte sich, die Wahl des Parlamentspräsidenten auf die Tagesordnung zu setzen und beharrte darauf, dass die Knesset erst in der kommenden Woche wieder zusammenkommt.

(c-st/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort