Flamen gegen Wallonen Belgiens Zerrissenheit lässt Regierungsbildung scheitern

Brüssel · Fast ein halbes Jahr ist die Parlamentswahl schon her, und immer noch gibt es keine neue Koalition. Das wird auch noch einige Zeit so bleiben – flämische Nationalisten und wallonische Nationalisten haben sich nicht einigen können. Ihr Streit offenbart die gefährliche Spaltung des Landes.

 Bart De Wever (r.), Chef der flämischen Nationalisten, im Dezember 2018 bei König Philippe.

Bart De Wever (r.), Chef der flämischen Nationalisten, im Dezember 2018 bei König Philippe.

Foto: dpa/Dirk Waem

Belgien ist blockiert. Knapp ein halbes Jahr nach der Parlamentswahl sind die Versuche zur Regierungsbildung gescheitert. Die Lage ist verzwickt, weil im flämischsprachigen Norden des Landes die Nationalisten von der Neuen Flämischen Allianz (N-VA) die stärkste Kraft sind und im französischsprachigen Süden die Sozialisten. König Philippe, der als Staatsoberhaupt die Regierungsbildung moderieren muss, hatte eine Koalition zwischen diesen beiden Kräften favorisiert. Doch diese Woche zeichnete sich ab, dass die programmatischen Unterschiede unüberbrückbar sind.

Immer mehr zeichnet sich ab, dass die Kluft zwischen den beiden Landesteilen, dem französischsprachigen Süden mit großen wirtschaftlichen Problemen und dem flämischsprachigen Norden mit starkem Wirtschaftswachstum und geringer Arbeitslosigkeit, bedrohlich groß geworden ist. Dies wurde auch in den Sondierungsgesprächen deutlich: Die Sozialisten machten soziale Verbesserungen wie ein niedrigeres Renteneintrittsalter, höhere Löhne und eine bessere Absicherung für Arbeitslose zur Vorbedingung für Koalitionsverhandlungen. Die N-VA will das Gegenteil: wirtschaftsfreundliche Reformen, geringere Sozialtransfers.

Um den Zusammenhalt zwischen den Landesteilen ist es schon jetzt schlecht bestellt. In früheren Staatsreformen waren Flandern und Wallonien bereits Kompetenzen wie etwa die Festsetzung einiger Steuersätze zugestanden worden. Die flämischen Nationalisten dringen aber darauf, dass Flandern noch mehr selbst entscheiden kann. Die Sozialisten ihrerseits sind nicht bereit, der N-VA bei weiteren Staatsreformen entgegenzukommen.

Wie verhärtet die Fronten sind, macht die Aussage des hochrangigen N-VA-Politikers Ben Weyts nach dem Scheitern der Gespräche deutlich: Man sei offen, die Ziele in einer Regierung auf föderaler Ebene anzupeilen oder nach einer Staatsreform, „die dafür sorgt, dass wir entscheiden können, was mit unserem Geld passiert“. „Wir“ steht nicht für Belgier, sondern für Flamen.

Wie es jetzt weitergeht, ist offen. Der König könnte versuchen, eine „Regenbogen-Koalition“ zwischen Sozialisten, Grünen und Liberalen zu schmieden. Das wäre aber politisch riskant: Da die flämischen Nationalisten außen vor wären, würde die Koalition politisch in Flandern nur geringen Rückhalt haben. Denkbar ist auch eine Neuwahl.

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