Bündnis in der Kritik „Hirntod“ – Frankreichs Präsident Macron greift die Nato an

Paris · Wenige Wochen vor dem Nato-Gipfel in London hat der französische Präsident Macron den Staatenbund kritisiert. In einem Interview klagt er über unkoordiniertes Vorgehen von Bündnispartnern und fehlende Absprachen.

 Emmanuel Macron bei dem Festakt anlässlich des Wechsels an der Spitze der EZB.

Emmanuel Macron bei dem Festakt anlässlich des Wechsels an der Spitze der EZB.

Foto: dpa/Boris Roessler

Der französische Präsident Emmanuel Macron bewertet den Zustand der Nato als äußerst kritisch und stellt die Bündnis-Loyalität der USA infrage. "Was wir derzeit erleben, ist der Hirntod der Nato", sagte Macron in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der britischen Wochenzeitung "The Economist". Auf die Frage, ob er noch an den Bündnisfall-Artikel des Nato-Gründungsvertrags glaube, wonach ein Angriff auf ein Mitgliedsland als Angriff auf alle Verbündeten angesehen wird, antwortete er: "Ich weiß nicht." Die Nato funktioniere nur, wenn der Garant der letzten Instanz als solcher funktioniere. Man sollte die Realität der Nato angesichts des US-Engagements neu bewerten. Es gebe Anzeichen, dass die USA "uns den Rücken kehren", wie die Entscheidung von Präsident Donald Trump für einen Truppenabzug aus Nordost-Syrien ohne Konsultation der Verbündeten zeige.

Der Truppenabzug hatte den Weg für die umstrittene Militäroffensive des Nato-Mitglieds Türkei gegen die syrische Kurdenmiliz YPG geebnet und die europäischen Nato-Mächte Frankreich, Großbritannien und Deutschland überrascht. Macron hatte den Schritt als einen schweren Fehler der Nato kritisiert, weil die Glaubwürdigkeit des Schutzes westlicher Partner geschwächt worden sei. Zudem argumentiert er, die Europäer sollten aufhören, im Nahen Osten als Juniorpartner der USA zu agieren.

Die YPG-Miliz war der wichtigste Verbündete der USA im Bodenkampf gegen die Islamisten-Miliz IS in Syrien. Frankreich dringt seit längerem auf eine engere militärische Zusammenarbeit der Europäer, stößt dabei aber auf den Widerstand Großbritanniens und anderer Nato-Staaten. Sie argumentieren, die USA blieben die Schlüsselmacht in der westlichen Verteidigung - vor allem in Hinblick auf das Erstarken Russlands.

Trump hat wiederholt die europäischen Staaten und insbesondere Deutschland aufgefordert, mehr für die Verteidigung auszugeben. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer macht sich für eine Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik stark. Angesichts einer neuen Bedrohungslage müsse Deutschland auch militärisch aktiver werden, um seine strategischen Interessen zu schützen, sagte sie in München. Bis spätestens 2031 müssten die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftleistung gesteigert werden. Die Einhaltung dieses Nato-Ziels fordert auch Trump.

(lukra/reuters)
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