„E-Krone“ Schweden führt als erstes Land eine staatliche Kryptowährung ein

Stockholm · Schweden testet eine staatlich abgesicherte Kryptowährung, die E-Krone. Die Befürworter des Projekts versprechen sich davon eine Demokratisierung. Elektronisches Geld könnte aber auch dem Gegenteil dienen.

 Bitcoin ist derzeit die bekannteste digitale Währung. (Symbol)

Bitcoin ist derzeit die bekannteste digitale Währung. (Symbol)

Foto: dpa-tmn/Jens Kalaene

Schweden sind erfinderisch. Einst bauten ihre Vorfahren Wikingerboote und segelten lange vor Kolumbus nach Amerika. Heute sind sie weltweit Pioniere neuer Bezahlmodelle. Das fällt unter den Oberbegriff Fintech, englisch für Finanztechnologie. Neu designte Bezahlsysteme gelten als Wachstumsknüller. 

Bereits 1661 bewies das Königreich sein Gespür für Fintech. Da führte es das Papiergeld ein. Das war eine Revolution. Postkutschen konnten plötzlich 50-mal mehr Geld transportieren. Viele Staaten folgten. In den vergangenen Jahren hat Schweden als erstes Land Europas Geldscheine und Münzen so gut wie abgeschafft. Zu 90 Prozent wird inzwischen bargeldlos bezahlt. Selbst auf Flohmärkten wird die Bankkarte einfach in ein Lesegerät gesteckt, das über den von Schweden mitentwickelten Bluetooth-Standard vernetzt ist.

Auch der Bezahldienst Klarna kommt aus Stockholm und erobert gerade die Welt. Klarna wächst schnell, will an die Börse – und hat gerade seinen ersten großen Datenskandal. Geplant ist, den Anbieter zur vollwertigen Bank mit Konto und Kreditkarte weiterzuentwickeln. Im Vergleich zu Klarna wirkt der US-Platzhirsch Paypal so veraltet wie ein Windows-95-Rechner gegenüber einem iPhone.

2012 kam dann auch noch der schwedische Bezahldienst Swish. Direkt übers Smartphone können Privat- und Geschäftskunden in Echtzeit und gebührenfrei Geld überweisen. Alle schwedischen Großbanken sind beteiligt. „Kannst du mir Geld swischen?“, hört man oft. Sogar in Bars wird Swish akzeptiert, obwohl die Kunden Name und Handynummer preisgeben.

Da ist es kein Wunder, dass auch die meisten Bankfilialen seit Jahren kein Bargeld mehr ausgeben. Das führte allerdings auch zu Protesten. Ein Gesetz soll die Banken zwingen, diesem Dienst wieder nachzukommen. Aber auch viele Cafés, Geschäfte und selbst die Busse des öffentlichen Nahverkehrs nehmen kein Bargeld mehr an. Wer im Supermarkt noch bar zahlt, wird – Rentner und Ausländer ausgenommen – oft schräg angeschaut. Im Blick der Kassiererin liegt die Frage, ob der Barzahler vielleicht etwas zu verbergen hat. Bargeld ist fast verdächtig geworden.

An diesem Punkt ist es nur logisch, auch über eine staatliche Kryptowährung nachzudenken. Schwedens Reichsbank tut das seit 2016 – Ziel: die elektronische Krone oder E-Krone. Sie soll so viel wert sein wie eine „richtige“ Kronenmünze. Die E-Krone soll auch wieder für mehr Anonymität der Konsumenten sorgen, ein bisschen wie das gute alte Bargeld und nicht wie die modernen Zahlungsdienste, die teils haufenweise persönliche Daten sammeln.

Schweden bringt jetzt mit der Großbank Handelsbanken die staatlich abgesicherte E-Krone erstmals testweise in Umlauf. Damit ist das Land erneut ein Vorreiter in Europa; ähnliche Pläne gibt es in Großbritannien und in der EU. Die Spannung ist groß, wie sich die E-Krone im Handel gegen die „wilden“ Kryptowährungen Bitcoin und Co. schlägt.

Die E-Krone basiert teils auf der Blockchain-Technologie, die auch unregulierten Kryptowährungen zugrundeliegt. Hinzu kommt die sogenannte Distributed-Ledger-Technologie („Verteilte Kassenbücher“). Sie sorgt für die Dokumentation von Transaktionen und macht die E-Krone dann doch nicht völlig anonym. Beide Systeme zusammen sollen das Modell wasserdicht machen.

Doch warum braucht es eine E-Krone (oder einen digitalen Euro) überhaupt? Von der politischen Linken in Schweden heißt es: weil das endlich wieder „demokratisches Bargeld“ vom Staat sei, das nicht auf teuren Bankkonten liegen und mit ebenso teuren Kreditkarten abgehoben werden müsse, während die Banken das Geld der Kunden für eigene gewinnbringende Investitionen nutzten. E-Währungen könnten Privatbanken und Kreditkartenfirmen wie Visa teilweise ersetzen. Bürger könnten ihr Geld wieder selbst besitzen und damit bezahlen, und das kostenlos, so der Tenor. Für die Finanzinstitute ist das ein Schreckensszenario. Doch die Tatsache, dass Schwedens Großbanken stark in die Entwicklung der E-Krone eingebunden sind, lässt vermuten, dass es ganz so radikal nicht kommen wird.

Schweden steht mit seiner Krypto-Krone durchaus nicht allein da. Die in Sachen Fintech etwas verstaubte Europäische Union wird ihren digitalen Euro allerdings deutlich konservativer gestalten. Auf die Blockchain, die bisher trotz Anonymität als fälschungssicher gilt und einst von einem namentlich unbekannten Hacker erfunden wurde, wird die Europäische Union ganz verzichten. Stattdessen setzte sie auf ein gewöhnliches „Wallet“, also eine digitale Brieftasche, bei der Europäischen Zentralbank sowie herkömmliche Girokontennetzwerke der Großbanken. Der Unterschied zur Kreditkarte oder dem Weltmarktführer Paypal bleibt da minimal.

Auch das mächtige China arbeitet in Praxistests an einer E-Währung. Und das Vereinigte Königreich schließlich sitzt ebenfalls an einem „Britcoin“, allerdings geht das eher schleppend voran. Schweden steht also mal wieder international in der Fintech-Spitze.

Zudem gibt es einen entscheidenden Unterschied: Im Überwachungsstaat China dürfte die E-Währung nicht auf den Schutz der Daten- und Privatsphäre der Konsumenten abzielen, sondern die Überwachung noch ausbauen, fürchten Kritiker. Wenn das gesamte chinesische Bargeld durch elektronisches Geld ersetzt werde, seien Kontrolle und Steuerung aller Transaktionen gewährleistet.

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