Bush: "Stimme der Freiheit" erhoben Der Gewalt getrotzt: Iraker haben zahlreich gewählt

Bagdad/Washington (rpo). Massive Einschüchterungen und eine erneute Anschlagsserie haben viele Iraker am Sonntag nicht davon abgehalten, an den ersten Wahlen seit dem Sturz des Hussein-Regimes teilzunehmen. Die Wahlbeteiligung lag ersten Schätzungen zufolge höher als erwartet. US-Präsident George W. Bush sagte, die Tapferkeit der irakischen Wähler habe "entschlossen die antidemokratische Ideologie" von Terroristen zurückgewiesen.

Die Irak-Wahl in Deutschland, USA und Großbritannien
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Foto: AP

Am Tag nach der Parlamentswahl im Irak hat Ministerpräsident Ajad Allawi die Bevölkerungsgruppen zur Aussöhnung aufgerufen. "Wir treten in eine neue Ära unserer Geschichte ein", sagte Allawi am Montag in Bagdad. "Alle Iraker, ob sie nun gewählt haben oder nicht, sollten ihre Zukunft gemeinsam aufbauen."

Damit bezog er sich auf den Wahlboykott der Sunniten, die ein Fünftel der irakischen Bevölkerung ausmachen. Die Unterschiede zwischen den Religionsgruppen, die vom gestürzten Regime eingepflanzt worden seien, müssten überwunden werden. "Jetzt ist die richtige Zeit zur Zusammenarbeit, damit die Welt die Möglichkeiten unseres großartigen Landes sehen kann."

Welt reagiert auf Wahl

"Die Welt hört die Stimme der Freiheit aus dem Zentrum des Mittleren Ostens", sagte Bush vor Journalisten am Abend in Washington. Die Wahlen in Irak bezeichnete er als Erfolg. Die USA würden den Irakern weiter helfen, die Sicherheit in ihrem Land wieder herzustellen. Bush trauerte um die am Wahltag bei Anschlägen getöteten Menschen - Iraker, amerikanische und britische Soldaten. "Sie opferten sich für die Freiheit." Auch die Bundesregierung in Berlin würdigte die Wahl als "wichtige Etappe auf dem Weg zum Aufbau demokratischer Strukturen". Nach amtlichen irakischen Angaben schien die Wahlbeteiligung über den prognostizierten 57 Prozent der 14 Millionen Wahlberechtigten zu liegen.

Mehrere Anschlägen wurden von Selbstmordattentätern verübt. Einer von ihnen sprengte sich mit einem Kleinbus in die Luft, der Wähler zu einem Stimmlokal bringen sollte. Ein anderer ging im Westen von Bagdad auf eine Warteschlange von Wählern zu und zündete den Sprengsatz an seinem Gürtel. In beiden Fällen wurden mindestens jeweils fünf Menschen getötet. Auch aus Bakuba, Mossul, Basra und weiteren Orten wurden Anschläge gemeldet. In einer im Internet verbreiteten Erklärung bekannte sich die Gruppe um den Jordanier Mussab al Sarkawi zu etlichen dieser Angriffe.

Eine hohe Wahlbeteiligung gab es den Berichten zufolge wie erwartet in den überwiegend schiitischen und kurdischen Regionen. Hier warteten die Wähler oft in langen Schlangen vor den Stimmlokalen, es gab Freudentänze. In Städten wie Falludscha, Ramadi und Samarra - den Zentren der sunnitischen Aufstandsbewegung - blieben die Wahllokale aber über Stunden hinweg leer. Aber auch dort gingen dann wie in Samarra gegen Abend einige hundert Menschen wählen.

Der irakische Übergangspräsident Ghasi al Jawar nannte die Wahl einen ersten Schritt "zum Eintritt in die freie Welt". Ministerpräsident Ajad Allawi, der seine Stimme in der "Grünen Zone" rund um das US-Hauptquartier in Bagdad abgab, sagte: "Erstmals bestimmen die Iraker ihr Schicksal selbst.".

Rund 14 Millionen Bürger waren in 5.200 Wahllokalen zur Wahl von 275 Abgeordneten einer Nationalversammlung aufgerufen. Das Endergebnis der Wahl wird voraussichtlich frühestens in einer Woche feststehen. Die besten Chancen wurden der Vereinigten Irakischen Allianz eingeräumt, die die Unterstützung des obersten Geistlichen der irakischen Schiiten, des Großayatollahs Ali al Sistani, genießt.

Die Wahl entsprach nach einer ersten Einschätzung internationaler Wahlbeobachter weitgehend internationalen Standards. Es müsse aber auch noch einiges verbessert werden, sagte der Leiter der Internationalen (Beobachter-) Mission für die irakischen Wahlen, Jean-Pierre Kingsley, in Amman. "Wenn man in Betracht zieht, was das irakische Volk hinter sich hat, ist das sicherlich sehr gut, eine sehr gute Entwicklung", sagte Kingsley, der oberster Wahlleiter in Kanada ist.

Bundesregierung wertete Irak-Wahl als "wichtige Etappe"

Die Bundesregierung hat die Wahl im Irak als "wichtige Etappe auf dem Weg zum Aufbau demokratischer Strukturen" gewertet. Vor dem Hintergrund der "gewalttätigen Einschüchterungsversuche durch extremistische Gruppen" sei die nach ersten Berichten rege Wahlbeteiligung als Ausdruck der festen Entschlossenheit der Mehrheit der Iraker zu werten, die Geschicke ihres Landes in die eigenen Hände zu nehme, erklärte Regierungssprecher Béla Anda am Sonntagabend in Berlin.

Jetzt komme es darauf an, alle ethnischen und religiösen Gruppen des Landes in den weiteren politischen Prozess voll einzubeziehen. Nur durch einen solchen Ansatz werde es gelingen, den von der internationalen Gemeinschaft angestrebten stabilen, sicheren und demokratischen Irak auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, erklärte Anda. Die Bundesregierung sei bereit, ihr Engagement für den Irak fortzusetzen und "den Prozess der zukünftigen demokratischen Institutionalisierung mit Rat und Tat zu unterstützen".

(ap)
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