Wieder Ärger um Tübinger OB Palmer Das N-Wort ist zu Recht tabu, aber lasst die Kirche im Dorf

Meinung | Düsseldorf · Die Anführer der woken Gesellschaft dürfen nicht allein die Sprache bestimmen. Da hat OB Palmer recht. Aber warum benützt er das N-Wort und den Vergleich zum Judenstern? Sein Austritt aus der Partei ist demnach folgerichtig.

 Tübingen: Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, nimmt an einem Pressetermin der Stadt teil. Am Freitag hatte er bei einer Veranstaltung in Frankfurt mit umstrittenen Äußerungen für Empörung gesorgt.

Tübingen: Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, nimmt an einem Pressetermin der Stadt teil. Am Freitag hatte er bei einer Veranstaltung in Frankfurt mit umstrittenen Äußerungen für Empörung gesorgt.

Foto: dpa/Marijan Murat

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer kann es einfach nicht lassen. Ohne Not hat er wieder einen Eklat mit N-Wort und Judenstern heraufbeschworen. Und das ausgerechnet auf einer Migrationskonferenz in Frankfurt. Man hat den Eindruck, er sucht geradezu diesen Konflikt. Selbst so nachdenkliche Autoren wie der gemäßigte Islam-Kritiker Ahmad Mansour, der ebenfalls auf dieser Veranstaltung war, sind entsetzt.

Was ist geschehen? Palmer, der am Montagabend bei den Grünen ausgetreten ist, hat sich auf einen handfesten Konflikt mit Demonstranten in Frankfurt eingelassen, die ihn als Nazi und Rassisten beschimpften. Das war unter der Gürtellinie, kein Frage. Der Grund der Beschimpfung: Palmer will das N-Wort weiterhin benutzen, wenn es nicht als Beleidigung gemeint ist. Etwa bei einer Bewertung dieses Worts oder wenn es in alten Kinderbüchern etwa bei Astrid Lindgren noch verwandt wird. Tatsächlich wollen viele Schwarze Menschen das N-Wort auch in diesem Zusammenhang nicht hören, weil es eine Eigendynamik durch ständiges Wiederholen auslöst. Es gilt eben als durch und durch rassistisch.

Das sollte Palmer akzeptieren und seine Provokationen unterlassen. Umgekehrt ist aber inzwischen auch bei manchen der sogenannten woken Gesellschaft eine Hysterie eingekehrt, die in jeder unbedachten Äußerung oder aber anderen Auffassung über die Verwendung des N-Worts gleich Rassismus und Nazi-Ideologie wittern. Darauf hinzuweisen, hat Palmer alles Recht. Aber auch hier schüttet er das Kind mit dem Bade aus, wenn er sich mit den jüdischen Verfolgten des NS-Regimes gleichsetzt. „Das ist nichts anderes als der Judenstern“, sagte er den Krawall-Protestlern in Frankfurt. Und das ist wiederum ein unsäglicher Vergleich mit den Opfern des schlimmsten Verbrechens der Menschheitsgeschichte.

Wenn er sich wirklich daran hält, wäre die Auszeit, die der Tübinger OB nun für sich angekündigt hat, tatsächlich ein Segen für alle. Selbst diejenigen, die bislang noch zu ihm hielten, wenden sich nach den jüngsten Eklats ab. Denn die Art, wie Palmer immer wieder anecken will, hat etwas Manisches. So führt man keine Diskussionen, gerade auch wenn die andere Seite die ideologische Keule schwingt.

Wichtig ist, auf beiden Seiten abzurüsten und die wirklichen Rassisten ins Visier zu nehmen. Die gibt es nämlich noch viel zu häufig. Sie vermieten Schwarzen Menschen keine Wohnung oder verweigern ihnen nur aufgrund ihrer Hautfarbe einen Arbeitsplatz. Auch andere Formen der Diskriminierung, etwa beim Einlass in Diskotheken, bei wirklich rassistischen Äußerungen oder Ausgrenzungen gehören in diesen Zusammenhang. Das Ideal wäre, dass die Hautfarbe, das Aussehen oder die Herkunft bei den Beziehungen der Menschen keine Rolle mehr spielen. Auch grüne Augen oder braune Haare sind körperliche Merkmale. Sie entscheiden aber nicht über die Bewertung eines Menschen. Und das sollte auch bei allen übrigen äußerlichen Eigenschaften der Fall sein. Nur das setzt Diskriminierung wirklich ein Ende.

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