50 Jahre Südsternwarte Eso Hoffen auf Neues zum Urknall

Garching · Vor 50 Jahren wurde die Europäische Südsternwarte gegründet. Zum Jubiläum hat sie ehrgeizige Pläne: Sie möchte das weltgrößte Teleskop bauen. Es soll Milliarden Lichtjahre zurückblicken, fast bis zum Urknall. Bleibt die Frage: Gibt es Leben im All?

Spektakuläre Fotos: Schwarze Löcher, ferne Galaxien, sterbende Sonnen
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Schwarze Löcher, ferne Galaxien, explodierende Sonnen

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Es wird so scharfsichtig sein, dass ein Münchner eine Zeitung in Lübeck lesen könnte, und es wird Milliarden Lichtjahre in ferne Galaxien blicken. Das größte Spiegelteleskop der Welt soll in der chilenischen Atacama-Wüste entstehen. Zum 50-jährigen Bestehen der Europäischen Südsternwarte (Eso) laufen die Planungen zu dem eine Milliarde Euro teuren Projekt auf Hochtouren.

Das "European Extremely Large Telescope" (Europäisches Extrem Großes Teleskop/E-ELT) soll 16 Mal schärfere Bilder liefern als das Weltraumteleskop "Hubble" und fast bis zum Urknall blicken. Es wird auch einer der spannendsten Fragen der Menschheit nachgehen: Gibt es im Universum einen erdähnlichen Planeten - mit Leben?

"Größtes Auge der Welt"

Das nach Eso-Angaben "größte Auge der Welt in den Himmel" soll einen Durchmesser von 39 Metern erhalten. Es werde die Wahrnehmung des Universums vielleicht so revolutionieren wie Galileos Fernrohr vor rund 400 Jahren, hofft die Eso. Die Sternwarte hat ihren Sitz seit 1980 in Garching bei München und beschäftigt insgesamt mehr als 700 Mitarbeiter.

"Das E-ELT hat etwa die gleiche Spiegelfläche wie alle Teleskope zusammen, die bis heute je gebaut wurden", sagt der Eso-Astronom Dietrich Baade. Es soll ab dem Jahr 2023 vom 3060 Meter hohen Berg Cerro Armazones mehr als 13 Milliarden Lichtjahre zurück in die Ursprünge des Weltalls schauen. "Das ist der weiteste Punkt, wohin man zurückgucken kann", sagt Baade. Die Astronomen wollen herausfinden, wie sich im anfänglich chaotischen Universum Strukturen und dann erste Sterne und Galaxien formten.

Am 5. Oktober 1962 unterzeichneten Deutschland, Belgien, Frankreich, die Niederlande und Schweden die Gründungsvereinbarung der Eso, der heute 14 Länder angehören. Als 15. und erste nicht europäische Nation hat Brasilien eine Beitrittserklärung unterzeichnet. Am 11. Oktober ist zum 50-jährigen Bestehen ein Festakt in der Münchner Residenz geplant, an dem auch Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) teilnimmt.

"Mit der Gründung der Eso vor 50 Jahren wurde der Grundstein einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte gelegt", sagt Schavan. Sie bezeichnete die Eso als "die weltweit führende Einrichtung der bodengebundenen astronomischen Forschung". Das E-ELT werde neue Maßstäbe setzen. Eso-Generaldirektor Tim de Zeeuw sagt, vor der Eso sei die europäische bodengebundene Astronomie ein recht kleiner Akteur gewesen. "Sie hat die europäische astronomische Gemeinschaft zusammengeführt, so dass diese Projekte unternehmen kann, die weit jenseits der Möglichkeiten jedes einzelnen Mitgliedsstaats liegen."

Die Eso-Observatorien liegen am Berg La Silla und am Cerro Paranal in der chilenischen Wüste. Dort herrschen optimale Bedingungen für astronomische Beobachtungen. Es ist trocken und es gibt wenig Luftströmung. Siedlungen, deren Lichter stören könnten, sind weit weg. Derzeit baut die Eso mit Partnern aus Nordamerika und Ostasien das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA). Durch 66 transportable Antennen kann es zu einer Art gigantischem Zoom-Objektiv werden.

Das bekannteste Teleskop der Eso ist das VLT (Very Large Telescope) am Paranal-Observatorium. Es besteht aus vier Teleskopen mit Spiegeldurchmessern von gut acht Metern und einer Vielzahl von Kameras, Detektoren und anderen Instrumenten. Das Licht mehrerer Hauptteleskope kann kombiniert werden, so dass Objekte in extremer Entfernung sichtbar werden. Man könnte damit eine Ein-Euro-Münze aus einer Entfernung von 5000 Kilometern erkennen.

Physik-Nobelpreis 2011

Seit der Eso-Gründung gelangen bahnbrechende Entdeckungen. Viele besondere Sterne und Galaxien wurden gefunden. Die Forscher beobachteten weit entfernte Gammablitze, massive Energieausbrüche, die durch den finalen Kollaps eines Sterns entstehen. In unserer Milchstraße fanden sie ein schwarzes Loch mit der Masse von vier Millionen Sonnen. 2004 wurde mit Hilfe des VLT das erste Bild eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystems aufgenommen.

Zuletzt konnten Forscher und Teleskope der Eso zum Nachweis beitragen, dass die Expansion des Weltalls immer schneller vorangeht. Die Entdeckung, für die es 2011 den Physik-Nobelpreis gab, war ein Zufallstreffer. Die Forscher wollten prüfen, wie sich das Universum mit Hilfe von Supernovae - explodierenden Sternen - vermessen lässt und kamen zu dem Schluss, dass sich die Ausbreitung beschleunigt.

Viele Fragen sind offen. "Es ist von fundamentaler Bedeutung, dass es etwas gibt, was die Welt immer stärker auseinandertreibt", sagt Baade. "Man hat das als Dunkle Energie bezeichnet. Aber was die Natur dieser Dunklen Energie ist, hat man noch nicht verstanden."

(dpa)
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