Experten in Sorge über uraltes Phänomen Gefährlicher Saharastaub über der Karibik

Havanna · Wissenschaftler in der Karibik sind besorgt über Staubwolken, die alljährlich aus der Sahara über den Atlantik heranwehen. Das Phänomen gibt es seit Jahrhunderten, doch hat sich die Zusammensetzung der Staubpartikel in den Wolken verändert. Der Feinstaub könnte ein Gesundheitsrisiko darstellen.

Marokkos Sahara
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Jeden Sommer wehen von Sandstürmen in der Sahara aufgewirbelte, mikroskopisch kleine Staubpartikel über den Atlantik bis in die Karibik. Die Folgen: Die Sichtweite im Flugverkehr verringert sich auf wenige Kilometer, Asthmatiker geraten vermehrt in Atemnot.

Das Phänomen existiert, seit es Sand in der Sahara gibt. Doch Wissenschaftler in der Region haben ihm zuletzt mehr Aufmerksamkeit gewidmet, und manche sind der Ansicht, dass die Staubwolken größer geworden sind.

In den vergangenen Wochen hat eine besonders umfangreiche Wolke die Inseln der östlichen Karibik mit Staub überzogen. Sie sorgte für dunstigen Himmel und intensiv orangefarbene Sonnenuntergänge bei Havanna auf Kuba, zog über die mexikanische Halbinsel Yucatán und wurde sogar im US-Staat Wyoming gesichtet.

Auf Satellitenbildern der Weltraumbehörde NASA sind die riesigen Wolken auf ihrem Weg von Afrika nach Westen zu sehen, sie bedecken Hunderte Quadratkilometer. Wissenschaftlern zufolge haben die sporadisch auftretenden Staubmassen möglicherweise Auswirkungen auf das Klima und können sogar die Bildung von Hurrikanen behindern. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa untersucht das Phänomen inzwischen mit unbemannten Drohnen.

Atemwegserkrankungen

Experten zufolge könnten in den Wolken enthaltene Partikel auch ein Gesundheitsrisiko darstellen. Sie fordern deshalb genauere Untersuchungen. Wegen des Staubs aus Afrika wurden in diesem Jahr in Puerto Rico bereits zwei Mal Warnungen für Asthmatiker und Allergiker ausgesprochen, und auch die Dominikanische Republik erließ eine Warnung.

Feinstaubpartikel in der Luft werden weltweit mit Atemwegserkrankungen in Verbindung gebracht. In Teilen der Karibik, darunter Puerto Rico, sind die Raten von Asthmaerkrankungen hoch. Ein direkter Bezug zwischen dem afrikanischen Staub und höheren Asthma- oder Lungenkrebsraten wurde indes bislang nicht hergestellt.

Das Phänomen ähnelt den riesigen Staubstürmen, die den Himmel in asiatischen Metropolen zuweilen gelb färben und die bis an die US- Westküste ziehen können. Doch die Wolken aus Afrika produzieren sogar noch mehr Staub. Einer 2011 in der Fachzeitschrift "Atmospheric Chemistry and Physics" veröffentlichten Studie zufolge stammen schätzungsweise mehr als 70 Prozent der weltweiten Staubemissionen aus Nordafrika.

Schon Charles Darwin vermutete dies möglicherweise, als er 1832 bei den Kapverden auf der "HMS Beagle" Staub einsammelte. "Der Staub fällt in solchen Mengen, dass alles an Bord schmutzig wird. Er ist oft auf Schiffen niedergegangen, die mehrere hundert oder sogar mehr als tausend Meilen von der afrikanischen Küste entfernt waren", schrieb Darwin. In seiner Probe wurden Mikroorganismen und pflanzliche Kieselerde nachgewiesen.

Seither hat sich die Zusammensetzung der Wolken durch menschliche Aktivitäten verändert. Wissenschaftlern zufolge enthalten sie Spuren von Metallen, Mikroorganismen, Bakterien, Sporen, Pestiziden und Fäkalien. Hinweise darauf, dass die Mengen ausreichen, um eine Gefahr darzustellen, gibt es indes nicht.

"Nicht derselbe Staub wie zu Darwins Zeiten"

Laut Joseph Prospero, emeritierter Professor für Marine- und atmosphärische Chemie an der Universität von Miami, sagt, in Barbados genommene Proben afrikanischen Staubs hätten auch Arsen und Cadmium enthalten. Die genauen Auswirkungen auf die Gesundheit seien jedoch nicht bekannt.

"Es ist extrem schwierig, eine spezifische Partikelzusammensetzung mit Gesundheitsauswirkungen in Verbindung zu bringen", sagt Prospero, Hauptautor einer Studie über den Staub, die im September von der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft veröffentlicht wird. Grund zur Sorge bestehe aber durchaus.

Eugenio Mojena vom kubanischen Institut für Meteorologie erklärt, die Partikel kämen vermutlich aus der Sahelzone südlich der Sahara, wo Bauern Vieh züchten und chemische Düngemittel und Pestizide einsetzen.

"Der heutige Staub ist nicht derselbe wie der, den Darwin untersucht hat", sagt Mojena. Früher habe er weder Insekten- noch Unkrautvernichtungsmittel enthalten. Einige Experten befürchten auch, dass in den Wolken vorhandenes Eisen eine Gefahr für Korallen darstellen könnte, da es schädlichen Algen und Sporen als Nahrung dient.

Diese These ist jedoch noch umstritten. Die Wolken erschweren auch den Flugverkehr, da sie die Sicht auf weniger als fünf Kilometer verringern, wie Jason Dunion von der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde sagt.

Andererseits behindern die Wolken möglicherweise die Bildung tropischer Wirbelstürme in der Karibik. Laut Professor Prospero verursacht geringerer Regen in Westafrika vermutlich mehr Staub, der das Sonnenlicht reduziert, die Wassertemperatur senkt und die Verdunstung verringert - alles Faktoren bei der Bildung von Wirbelstürmen.

Während die Experten über die Veränderungen der Staubwolken im Lauf der Jahrzehnte uneins sind, stimmen alle darin überein, dass die diesjährige Wolke beachtlich war. Mojena sagt, die Staubmenge in Kuba sei nach schweren Dürren in Afrika in den vergangenen 30 Jahren um das Zehnfache gestiegen.

Omar Torres, Spezialist für atmosphärische Physik der Nasa in Maryland, sagt dagegen, Satellitenstudien seit 1980 zeigten keine Steigerung der Staubemissionen aus der Sahara über die normalen saisonalen Schwankungen hinaus. Doch dass der Staub dieses Jahr bis nach Wyoming wehte, sei völlig überraschend gekommen. "So etwas habe ich in den letzten Jahren nie erlebt", sagt Torres.

(ap)
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