Der Vater der CD ist tot
Tokio/Berlin Wer weiß, wie die CD ausgesehen hätte, wenn Norio Ohga nicht irgendwann ein legendäres Machtwort gesprochen hätte: Der spätere Chef soll einen Streit zwischen seinen Sony-Ingenieuren und dem Partner Philips über das Format der "Laser-Schallplatte" mit einer inhaltlichen Forderung beendet haben. Die Compact Disc müsse mindestens so groß sein, soll Ohga verlangt haben, dass die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven vollständig drauf passe. Damit standen 12 Zentimeter Durchmesser und eine Spieldauer von 74 Minuten fest.
Damalige Mitstreiter wie der spätere Mathematik-Professor der Uni-Essen, Kees A. Schouhamer Immink, bestreiten im Gegensatz zur offiziellen Philips-Darstellung, dass Ohgas Beethoven-Liebe etwas mit der Speicher-Größe der CD zu tun hatte. Andere wollen dagegen sogar wissen, dass die Sony-Fraktion gegen die Karajan-Vorliebe ihres Chefs Ohga die Furtwängler-Einspielung der Neunten zum Maßstab genommen hätte, weil sie einige Minuten länger als Karajan-Version dauere. Während die Philips-Techniker die CD so klein wie möglich gestalten wollten, hätte die Sony-Fraktion am liebsten eine Laser-Scheibe in Langspielplatten-Größe gehabt.
Ein Jahr nach der Weltpremiere der CD, die im Herbst 1981 auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin stattfand, machte Sony mit Norio Ohga einen ausgewiesenen Konzertmeister und Sänger zum Präsidenten. Ohga hatte in den 50er Jahren unter anderem in München und Berlin studiert. Aus den Deutschland-Jahren rührte auch seine Bewunderung für Karajan her. Unter Ohgas Einfluss konzentrierte sich Sony nicht nur auf Abspielgeräte, sondern auch auf Musik. Mit der Übernahme der CBS legte Ohga 1968 den Grundstein für die heutige Sony Music Entertainment.
Bis Ohga mit Philips vor 30 Jahren die CD vorstellte, war er bei Sony allerdings keine Legende, sondern bloß der Musik-Freak, der den Flop des Video-Formats "Betamax" zu verantworteten hatte. Wie Sony nun mitteilte, ist der "Vater der CD" am Samstag im Alter von 81 Jahren in Tokio gestorben.
