US-Kult kommt am 1. November Halloween: Gruselspaß lockt nur wenige Deutsche

Frankfurt/Main (AP). Kürbisfratzen, Hexen und Skelette warten seit Wochen auf ihren großen Auftritt: In der Nacht zum 1. November ist Halloween - Anlass für zahlreiche Grusel-Partys in Discos, Kneipen und Privatwohnungen. "Es ist der Reiz des Neuen", schwärmt eine Mutter beim Halloween-Shopping am Wochenende in einem Frankfurter Kaufhaus.

Den Gästen ihrer 13-jährigen Tochter Lea Perraudin werden am Buffet als abgeschnittene Finger getarnte Würstchen und Wackelpudding in Gummihandschuh gereicht.

Der 15 Jahre alte Lorenz Ludwig, der gerade einen Packen Spinnweben und eine Tüte Plastikmaden ersteht, organisiert mit seinen Klassenkameraden eine Nachtwanderung im Taunus "mit möglichst wenig Licht" und anschließender Gruselparty. Verkleidung ist dabei Zwang, nur so "kommt die richtige Stimmung auf", sagt der Schüler.

Viel weniger begeistert ist ein junger Mann im Jackett, der zwischen orangefarbenen Kürbisgirlanden missmutig an einem Gespensterkostüm zupft. "Das ist alles so halbherzig hier", kritisiert er. In den USA, wo er eine Zeit lang gelebt habe, sei das viel kreativer gewesen. "Da wickeln sich Leute in drei Lagen Toilettenpapier und balsamieren sich richtig ein", erinnert er sich. Hier gehe er nur aus "sozialem Druck" zu einer Party von Arbeitskollegen seiner Freundin.

Die Begeisterung für das Neue einerseits und Halbherzigkeit andererseits sind kein Zufall: "Halloween ist eine künstliche Sache, die in den 90er Jahren aus den USA verstärkt zu uns gekommen ist", erklärt der Bonner Volkskundler Gunther Hirschfelder im AP-Gespräch. Entstanden ist der Brauch vermutlich in Irland. Dort wurde schon in vorchristlicher Zeit zum Ende der warmen Jahreszeit in der Nacht zum 1. November der Toten gedacht und böse Geister mit allerlei Mummenschanz vertrieben. Später wurde das Fest christianisiert und erhielt den Namen All Hallows' Eve (Der Abend vor Allerheiligen), woraus Halloween wurde. Irische Einwanderer exportierten das Fest im 19. Jahrhundert in die USA, bevor es Mitte der 90er auch in Deutschland boomte.

Überreste der alten keltischen Tradition ist die Lust der Halloween-Fans an allem, was gruslig ist: Horrormasken, die dem Film "Scream" nach empfunden sind, zählen im Spezialgeschäft Sennelaub in Frankfurt dieses Jahr ebenso zu den Rennern wie Skelette im schwarzen Anzug, die auf Knopfdruck zu Fred Astaires "Putting on the Ritz" tanzen. Die Grusel-CD mit Schreien und Schritten ist längst ausverkauft. In einem der ersten Halloween-Geschäfte in Deutschland, dem House of Horror in Hamburg, gehen Wunden zum Aufkleben weg wie die warmen Brötchen. Auch dafür hat die Wissenschaft eine Erklärung: "In Zeiten, wo wir nicht mehr täglich in Angst vor tödlichen Krankheiten leben müssen, suchen wir uns den Horror auf andere Weise - auch spielerisch", erklärt Hirschfelder.

Karneval mit anderen Mitteln?

Auch die Verkleidung spielt eine wichtige Rolle: "Das erlaubt, die sozialen Rollen zu verlassen - ähnlich wie im Karneval", sagt der Fachmann. Und so mancher, der von Pappnasen nichts wissen will, kann sich für ein Teufelskostüm an Halloween begeistern. "Das sind ganz andere Kunden als im Fasching", berichtet Helmut Reymann, Geschäftsführer bei Sennelaub. Durchschnittsalter der Halloween-Kunden: 20 bis 35 Jahre. So hofft er, dass der Halloweenboom vielleicht auch dem Karneval wieder mehr Konjunktur verschafft.

Christian Candini, Geschäftsführer im Hamburger House of Horror will davon nichts wissen. Er, der vor vier Jahren seinen Kellerladen aufmachte und sich als Missionar in Sachen Halloween verstand, sagt dem Einzelhandel im November ade und vertreibt künftig seine Zombies, Mumien und Grabsteine nur noch im Großhandel. "Ich hab gesehen, wie toll das in den USA ist mit großen Umzügen und kreativen Verkleidungen und wollte das nach Deutschland bringen", erzählt er, aber seine Mission hält er für gescheitert: "Die meisten hier machen das nur aus Pflichterfüllung - nicht aus Leidenschaft."

Weniger puristisch ist der Volkskundler: Für ihn ist die importierte Party Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels, den er seit Anfang der 90er Jahre beobachtet. Halloween biete als Fest im "kulturellen Vakuum" - anders als traditionelle Feste - die Chance zum "Free Style". Den sozialen Druck zum Mitmachen wertet er als Zeichen dafür, dass das Fest "auf dem Weg ist, ein Brauch zu werden".

(RPO Archiv)
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