ZDF-History-Doku "Weltenbrand" Knopps Krieg zum Anfassen

Düsseldorf · ZDF-Chef-Historiker Guido Knopp verabschiedet sich mit dem Projekt "Weltenbrand" vom Bildschirm. Mit nachkolorierten und aufwändig entruckelten Bildern macht er beide Weltkriege für den Zuschauer "erlebbar". Eine zwiespältige Erfahrung.

 ZDF-Historiker Guido Knopp hinterlässt ein umstrittenes Werk.

ZDF-Historiker Guido Knopp hinterlässt ein umstrittenes Werk.

Foto: dpa, Britta Pedersen

Der ZDF-Historiker Guido Knopp steht seit Jahren in der Kritik, weil er Geschichte für das Fernsehen dramatisch aufbereitet. Die auf acht Teile angelegte Serie "Weltenbrand" ist so etwas wie sein Abschlusswerk. Sie behandelt beide Kriege als zusammenhängende Ereignisse. Die erste Staffel befasst sich in drei Teilen jeweils dienstags zur besten Sendezeit mit dem ersten Weltkrieg.

Die erste Folge am Dienstagabend über das erste Kriegshalbjahr 1914 offenbarte, dass Knopp seinen Methoden treu bleibt. Unheilsschwangere Musik rührt an Zuschauergefühle, Szenen werden mit Schauspielern rekonstruiert, Star-Sprecher Christian Brückner (die Synchronstimme von Robert de Niro) raunt Sätze wie "Es ist der Sommer in dem Europa Selbstmord begeht." Auch der romantaugliche Titel "Weltenbrand" spricht für sich.

Für seinen letzten großen Wurf, der in diesem September mit drei Folgen über den Lauf des Ersten Weltkriegs beginnt, hat Knopp noch draufgesattelt. Fast hundert Jahre alte Filmsequenzen wurden aufwändig restauriert. Nach Angaben des Senders kolorierten Spezialisten die Bilder per Hand nach, Computertechnik tunte die Aufnahmen auf HD-Qualität. Angeblich kostet allein das Einfärben 1500 Euro pro Minute.

Ziel der Renovierung: Die bislang nur in körnigen Ruckelbildern festgehaltenen Ereignisse dieser Zeit an heutige Sehgewohnheiten anzupassen. "Die Kolorierung erleichtert dem heutigen Zuschauer, die Distanz zu überwinden - denn es ist keine fremd wirkende "schwarz-weiße" Welt, in der sich die Schrecken des Krieges abspielen, sondern eine reale und vertraute Welt", erläutert das ZDF in seiner Mitteilung über die Doku. Und Knopp lässt wissen, das Verfahren solle "die Entfremdung der Wirklichkeit aufheben." Schließlich habe das Leben damals auch in Farbe stattgefunden. "Die Zeit rückt damit näher."

Tatsächlich sind diese bunten Bilder, die dann am Abend erstmals über den Monitor flimmern, im ersten Moment ein völlig neues Seherlebnis. Viele stammen noch aus der Friedenszeit und zeigen nicht die Generäle und Soldaten, sondern Kinder, Frauen und Männer mit Sommerhüten. Auf dem belebten Berliner Alexanderplatz strömen Menschen in allen Farben durcheinander, die Straßenbahnen sind gelb, ein Auto grün, der Himmel blau. Die Vorstellung, wie sich das Leben damals im Juni 1914 mitten in Berlin angefühlt haben könnte, ist greifbar. Für den Zuschauer ein Gewinn.

Diese Bilder dienen dazu, einen friedvollen und unbeschwerten Sommer 1914 zu illustrieren. Demnach brach der Krieg wie aus heiterem Himmel los. Für die komplizierte Vorgeschichte bis zu diesem Sommer und die Spannungen, die Europa schon mehrfach an den Rand des Krieges geführt hatten, hat Knopp bedauerlicherweise keinen Platz. Es ist wohl der Preis für TV-gerechte Dokumentationen, dass historisch komplexe Umstände ausgeblendet oder nur videoclip-artig angerissen werden.

Mehr Aufmerksamkeit verwendet der Film für die ersten sechs Monate des Krieges. Mit Hilfe von Experten wie dem renommierten Historiker Ian Kershaw oder dem ZDF-Berater Sönke Neitzel arbeitet "Weltenbrand" überzeugend aus, wie das deutsche Kaiserreich genau in die militärische Lage hineinschlitterte, die es stets vermeiden wollte: einen Zwei-Fronten-Krieg zwischen Russland im Osten und Frankreich im Westen. Die deutsche Heerführung sah sich daher dazu genötigt, die Franzosen so schnell wie möglich zu besiegen.

Folge war der im Nachhinein kriegsentscheidende Entschluss, völkerrechtswidrig durch Belgien nach Frankreich vorzurücken. Aufschlussreich sind die Hintergründe zu den Gräueltaten deutscher Soldaten an belgischen Zivilisten: Auslöser der Bestrafungsaktionen waren nicht wie lange angenommen die Schüsse belgische Freischärler sondern "friendly-Fire". Dass der Film die Schießereien in Leuven mit rekonstruierten Szenen nachbildet — geschenkt.

Eigenwillig zeigt sich Historiker Knopp mit der Auswahl einer Art Rahmenhandlung. Denn selbst bei der Aufarbeitung des Ersten Weltkriegs will er nicht von seinem Lieblingsthema Adolf Hitler lassen. Dessen Gehversuche als Maler sind im Film ebenso aufgegriffen wie Hitlers vier Tage an der Front. Es ist das Erlebnis das ihn entmenschlichen sollte, sagt Historiker Kershaw. Als historischer wie dramaturgischer Gegenspieler dient der britische Offizier Montgomery. Auch er kämpfte im Ersten Weltkrieg, zog allerdings nach einer schweren Verwundung

entgegengesetzte Schlüsse. Dass "Weltenbrand" die Szene, in der Montgomery mit einem Lungendurchschuss niedergestreckt wird, als nachgespielte Szene zeigt — geschenkt.
Vermutlich dienen die beiden Männer aus dem Krieg der ZDF-Doku als verbindendes band der acht Serienteile. Beide kämpften in den ersten Tagen des Ersten Weltkriegs, beide sollten der Verlauf des Zweiten Weltkriegs bis in seine letzten Tagen hinein entscheiden prägen. Für den Zuschauer ersichtlich war dies im ersten Teil bedauerlicherweise nicht.

Im zweiten Teil der Staffel am kommenden Dienstag (20.15 Uhr) wird "Weltenbrand" noch mehr als in dieser Woche den Krieg in Farbe zeigen. Er befasst sich mit den Folgen der militärischen Industrialisierung: Dem "Fegefeuer" der Schlachten in Verdun und an der Somme.

(pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort