In Marl verliehen Grimme-Preis - Begehrte Trophäe mit niedrigem Glamour-Faktor

Marl (rpo). Auch wenn der Grimme-Preis manchmal als TV-Version des US-Filmpreises Oscar verglichen wird, den Glamour der Verleihung in Los Angeles hat die Veranstaltung im beschaulichen Städtchen Marl natürlich nicht. Aber wie Gastgeberin Bettina Böttinger bemerkte: "Auch hier gibt es glänzende Augen, rührende Momente; es gibt sogar einen Roten Teppich." Und zwei besonders begehrte Preisträger: Olli Dittrich und Stefan Raab.

Grimme-Preis-Verleihung 2005
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Grimme-Preis-Verleihung 2005

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Foto: ddp

Comedian Olli Dittrich scheint geradezu abonniert auf die begehrte Trophäe und erhielt sie für "Dittsche" bereits zum dritten Mal, was die Freude nicht minderte: "Die Preise prämieren immer eine bestimmte Arbeit; deshalb ist es jedes Mal etwas Besonderes, weil die Arbeit etwas Besonderes ist", sagte Dittrich.

Der als eher rüpelhaft bekannte Entertainer Stefan Raab bekam derweil für die ProSieben-Show "Ein Lied für Istanbul" den einzigen Grimme-Preis für einen Privatsender und erklärte grinsend: "Wenn Adolf Grimme noch leben würde, würde ich ihm im Gegenzug den 'Raab der Woche' verleihen."

Moderatorin der Gala war am Freitagabend im Theater der Stadt Marl Fernseh-Talkerin Bettina Böttinger, die den Abend souverän leitete und ihr Mikrofon nur selten aus der Hand gab. "Hier ist noch alles in Ordnung in der kleinen, feinen Welt des guten Fernsehgeschmacks", sagte sie über den Preis des Adolf-Grimme-Instituts des Deutschen Volkshochschulverbands, der nicht für Quoten, sondern für Qualitätsfernsehen vergeben wird.

Der Glamour-Faktor sei im kleinen Städtchen Marl freilich bescheiden, räumte Böttinger ein. "Aber auch hier gibt es glänzende Augen, rührende Momente; es gibt sogar einen Roten Teppich."

Stefan Raab erhielt seinen Grimme-Preis in der Kategorie "Spezial" ausdrücklich nur für die Casting-Show "SSDSGPS - Ein Lied für Istanbul". Die Jury hatte nicht unerwähnt gelassen, dass er sich im Fernsehen zuweilen auch als Clown oder gar verbaler Hooligan betätige. Raab erklärte dazu, er setze neue Standards für den Grimme-Preis. "Ich bin der erste Gewinner, bei dem in der Begründung die Liste der Dinge, für die er den Preis nicht bekommt, länger ist als die, für die er den Preis bekommt."

Olli Dittrich brachte seine Nebendarsteller Jon Flemming Olsen und Franz Jarnach mit auf die Bühne und nahm den besonders seltenen Grimme-Preis mit Gold für "Dittsche - das wirklich wahre Leben" sichtlich gerührt entgegen. "Der Weg, bis es im Fernsehen war, war keineswegs so, dass die Leute es uns aus den Händen gerissen haben", sagte er am Rande der Verleihung. Seine Figur Dittsche bezeichnete er als einen "Spinner, der aber das Herz am rechten Fleck hat".

Der bewegende Film "Wolfsburg" wurde ebenfalls mit dem Grimme-Preis mit Gold für die Darsteller Benno Fürmann und Nina Hoss sowie Autor und Regisseur Christian Petzold ausgezeichnet. "Ich habe selten so gerne mit einem Menschen gearbeitet", sagte Fürmann später über seinen Regisseur. "Schon deshalb ist es für mich ein besonderer Film."

"Wir haben uns gefreut wie Bolle"

Für die Talkshow "Hart aber fair" wurden Moderator Frank Plasberg, Stefan Wirtz für die Redaktion sowie Jürgen Schulte (Produktion) ausgezeichnet. Keine konkrete Antwort gab es von Plasberg auf die häufig gestellte Frage, ob das erfolgreiche Format nun auch den Weg aus dem dritten Programm des WDR ins Erste finde: "Die ARD beschäftigt sich mit dieser Frage erst seit eineinhalb Jahren."

Der Kultur-Sonderpreis des Landes NRW ging an Autor und Regisseur Ebbo Demandt für die Dokumentation "Neruda" über den 1973 verstorbenen lateinamerikanischen Dichter Pablo Neruda. "Es ist ein wunderbarer Film", sagte Minister Michael Vesper über das Werk. Den Publikumspreis der Marler Gruppe bekamen Regisseur Rolf Schübel, Autor Tevfik Baser und die Darsteller Lale Yavas und Erhan Emre für den Zweiteiler "Zeit der Wünsche" über Schicksal und Träume türkischer Migranten in Deutschland. "Wir haben uns gefreut wie Bolle", kommentierte Schübel lachend den Preis.

Die Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes^erhielt der Musiker Klaus Doldinger, zu dessen herausragenden Kompositionen die Musik zu "Das Boot" und "Die unendliche Geschichte" sowie die "Tatort"-Titelmelodie gehören.

Einige der insgesamt 16 ausgezeichneten Produktionen konnten vor allem durch Qualität und Anspruch, nicht aber unbedingt durch hohe Zuschauerzahlen glänzen. Der "Tatort"-Krimi "Herzversagen", für den Regisseur und Mitautor Thomas Freundner, Autor Stephan Falk und die Darsteller Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf ausgezeichnet wurden, war hingegen nach Aussage Freundners auch der erfolgreichste Fernsehfilm des vergangenen Jahres in der ARD. Seine Schlussfolgerung daraus war eine der wohl wichtigsten Erkenntnisse des Abends: "Qualität und Quote gehen zusammen."

(ap)
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