Skandalautorin moderiert "3nach9" Charlotte Roche verspricht sex-freie Sendung

Bremen · Selten zuvor ist ein Moderatorenwechsel im deutschen Fernsehen so heftig diskutiert worden: Wenn Charlotte Roche am Freitag die Nachfolge von Amelie Fried beim Talkshow-Klassiker "3nach9" antritt, dann brauchen sich die Programmverantwortlichen bei Radio Bremen über eines wohl keine Sorge zu machen - über die Einschaltquoten.

Charlotte Roche: der Wandel des Viva-Girls
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Dabei wird die Autorin des Bestsellers "Feuchtgebiete" nicht müde zu betonen, wie sehr sie das Skandalnudel-Image satt hat. Sie werde bei "3nach9" auf keinen Fall "für die Untenrum-Themen zuständig sein", sagte die 31-Jährige der Online-Ausgabe der Frauenzeitschrift "Brigitte". "Ich kann und will über solche Themen nicht mehr reden." Wenn die Gäste unbedingt über Sex-Themen sprechen wollten, müsse dies ihr Moderatorenkollege Giovanni di Lorenzo übernehmen, sagte Roche.

Skandalimage nach 300 Sendungen weg

Sie sei jedoch zuversichtlich, ihrem "Feuchtgebiete"-Image entkommen zu können. "Ich muss einfach 300 Mal '3nach9' moderieren, bis der letzte Heini verstanden hat: Menschen verändern sich. Ich habe so dermaßen mein Zoten-Pulver verschossen, da ist nichts mehr übrig."

Das Buch sei zu einem Monster geworden, hatte die einstige "Viva"-Moderatorin jüngst in einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" geklagt. "Man ist zu viel in den Köpfen der Leute." Es sei nicht leicht auszuhalten, "dass jeder denkt, die wäscht sich nicht, die ist tierisch behaart, und ganz sicher hat sie Hämorrhoiden."

"Lieber Lüge als langweilige Wahrheit"

Auch wenn sie den Sex-Themen abgeschworen hat: Ganz ohne provokante Ansichten kommt die Grimme-Preisträgerin offensichtlich nicht aus. Mit Blick auf ihr "3nach9"-Debüt sagte sie dem "Spiegel": "Ich bin ja dafür, dass ein Gast lieber lügt, damit es unterhaltsam wird, als eine langweilige Wahrheit zu erzählen."

Bei der Deutschen Journalisten-Union (DJU) stieß diese Haltung auf scharfe Kritik: Journalisten müssten "Wahrheiten ans Licht bringen und nicht das Publikum hinters Licht führen", betonte der DJU-Vorsitzende Ulrich Janßen in der "Frankfurter Rundschau".

Wer Interviewpartner "zum Lügen einlädt", disqualifiziere sich auch als Unterhaltungskünstlerin. Die Bremer CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Motschmann äußerte grundsätzliche Kritik an der Wahl Roches als Nachfolgerin von Amelie Fried. "Ihre Sprache ist grob, verroht und obszön", schrieb Motschmann.

Schlingensief zu Gast

Zu den Gästen der ersten Sendung von Charlotte Roche gehört der an Krebs erkrankte Regisseur Christoph Schlingensief. Er wird von seinem Traum erzählen, ein Festspielhaus in Afrika zu errichten. Auf der Gästeliste stehen außerdem unter anderem die erfolgreiche Cellistin Sol Gabetta, der Alt-Rock'n'Roller Peter Kraus, der Komiker und Filmregisseur Bully Herbig, der Kabarettist Steffen Möller sowie die Londoner Rockband "Kitty, Daisy & Lewis".

Roches erfahrener Moderatorenkollege und "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sieht den Wechsel offensichtlich gelassen: Die Redaktion schrecke vor nichts zurück, "vor keinem Gast und keinem noch so schrägen Moderator". Das sei eben das Besondere an "3nach9".

(AP/felt)
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