Kolumne: Gott und die Welt Tropfen in der Wüste der Armut

Der Welttag der Armen kann Notleidenden helfen, Gehör zu finden.

 Auch in Deutschland leben viele Obdachlose auf der Straße (Symbolbild).

Auch in Deutschland leben viele Obdachlose auf der Straße (Symbolbild).

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Wenn über Armut in Deutschland gesprochen wird, höre ich oft: Das ist bei uns in Deutschland doch gar nicht so schlimm! Dann wird auf hungernde Kinder in Afrika oder im Jemen hingewiesen oder auf die Fluchtbewegung aus Lateinamerika in Richtung USA.

Zwar haben in Deutschland die meisten Menschen genug zu essen, trotzdem erleben auch sie Armut: Fast jeder Sechste gilt in unserem reichen Land als arm. Wie kann das sein? Armut wird in Relation zu den Lebensumständen der Bevölkerung eines Landes gemessen. Ob also jemand als arm oder reich gilt – das hat entscheidend damit zu tun, ob er oder sie am normalen Leben teilnehmen kann. Ob er den Eintritt ins Hallenbad zahlen kann, das Ticket für die Straßenbahn oder den Preis für eine neue Waschmaschine. Und ob er sich eine Wohnung leisten kann, die halbwegs angemessen ist für die Familie.

Genau das ist in Deutschland ein gewaltiges Problem. Vor allem in den Großstädten rutschen viele Menschen durch hohe Mieten in Armut und haben nur noch wenig Geld für das Alltagsleben. Arme Menschen kämpfen nicht nur gegen Geldmangel, sondern auch darum, im Zusammenleben mitzukommen und ihr Gesicht zu wahren. Daran erinnern wir morgen am Welttag der Armen, den Papst Franziskus ausgerufen hat. In seiner Botschaft schreibt er: „Wahrscheinlich ist dieser Welttag wie ein Tropfen Wasser in der Wüste der Armut; und dennoch kann er ein Zeichen des Mitfühlens sein, damit sie die tätige Anwesenheit eines Bruders und einer Schwester spüren.“ Hören wir ihren Schrei und achten wir auf diejenigen, die sich so abgehängt erleben, dass ihnen die Kraft fehlt für einen Schrei und für Widerstand gegen die Ungerechtigkeit.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor:
kolumne@rheinische-post.de

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