Wesel Gülle in Hülle und Fülle

Wesel · Experten diskutierten bei einem SPD-Abend im Weseler Rathaus mit Bürgern das Thema Gülle. Eine Erkenntnis: In Spitzenzeiten muss Wesel stärker nitratbelastetes Grundwasser aus Fließrichtung Hamminkeln fördern.

 Trecker mit Güllefass. Wie brisant ist die Lage in Wesel rund um das Wasserwerk Flüren?

Trecker mit Güllefass. Wie brisant ist die Lage in Wesel rund um das Wasserwerk Flüren?

Foto: malz

Die Weseler Stadtwerke werden ihre Bemühungen verstärken müssen, dass Grundwasser nitratfrei zu halten. Aus insgesamt elf Brunnen rund um das Wasserwerk in Flüren schöpfen sie das Trinkwasser, und generell bewege sich Wesel innerhalb der Grenzwerte, berichtete Franz Michelbrink als Stadtwerkechef bei einem Informationsabend der Weseler SPD. Er scheute sich aber auch nicht, gefährliche Tendenzen aufzuzeigen.

Seit Monaten gibt es in Wesel Debatten um die Nitratbelastungen und die Rolle der Landwirtschaft. Unlängst beschloss der Rat ein Gülleverbot auf Stadtflächen in der Aue. Die Landwirte sehen sich zu Unrecht in die Ecke der Wasserverschmutzer gedrängt. Beim SPD-Infoabend waren sowohl Vertreter aus der Wasserwirtschaft als auch Landwirte zu Gast. Die Debatte zeigte eines: dass beide Parteien um Konsens bemüht sind und es - offenbar - nur einige schwarze Schafe sind, die Probleme bereiten.

Die Hintergründe der Grundwassergewinnung erklärte Michelbrink anhand einiger Fakten. Das Wasserwerk Flüren sei umgeben von Wasserschutzzonen verschiedener Kategorien. Abgestuft würden dort verschiedene Regularien für die Gülleausbringung gelten. Seit 1993 schon bestehe ein Kooperationsvertrag mit den Landwirten der Region auf freiwilliger Basis, auf die Ausbringung von Schadstoffen auf den betroffenen Feldern zu verzichten. Die Landwirte erhalten zum Ausgleich Entschädigungsgelder vom Land NRW. "Mit 85 bis 95 Prozent der Landwirte klappen die Absprachen gut, wir haben ein gutes Verhältnis", betonte Michelbrink.

Der Nitratgehalt im Grundwasser werde stetig kontrolliert. Im Mittel liege Wesel bei 30 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser, das sei deutlich unter dem Grenzwert von 50 Milligramm. Normalerweise kommt das Grundwasser aus der Fließrichtung Brünen, in Spitzenzeiten aber auch aus Richtung Hamminkeln. Dann sei die Nitratbelastung höher. Warum das zusätzlich geförderte Hamminkelner Wasser stärker nitratbelastet ist, wisse er nicht genau, sagt Michelbrink.

Einerseits liege in diesem Bereich der Diersfordter Wald, "aber dahinter liegt auch Landwirtschaft". Noch könnten die Grenzwerte in Wesel eingehalten werden, da auch der Boden reinigende Kraft hat. "Aber was passiert, wenn diese Kraft des Bodens erschöpft ist?", fragt Michelbrink. Der Aufwand, das Grundwasser zu reinigen, werde für die Stadtwerke um ein Vielfaches größer sein. Zahlen werde der Bürger. "Der Wasserpreis könnte um bis zu 60 Prozent steigen." Das Ziel in den Vereinbarungen müsse sein, dass die Eintragskonzentration der Gülle den Grenzwert von 50 Milligramm nicht übersteigt.

Aus Sicht der Landwirte schilderte Johannes Leuchtenberg, stellvertretender Vorsitzender der Kreisbauern, die Situation: "Wir Landwirte handeln nach bestem Wissen und Gewissen und verdienen das Vertrauen der Bürger." So hätten die Landwirte in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Maßnahmen schon dafür gesorgt, die Nitratkonzentration wesentlich zu senken.

In Bislich habe diese 1995 noch bei 40 Milligramm pro Liter Wasser gelegen, inzwischen nur noch bei 10 Milligramm. "Die Kooperation ist ein großer Erfolg", bilanzierte Lechtenberg. Er betonte auch, dass Pflanzen Nitrat zum Wachsen benötigen, dass ferner die erhöhten Werte auch durch das Aufbringen von Klärschlamm und durch Wildgänse entstehen könnten. Auch geologische Gründe gebe es - so sei in Waldgebieten der Nitratwert durch verrottendes Laub oft viel höher.

Als Experte trat auch Ortwin Rodeck von Gelsenwasser Abend auf. "Die Brunnensituation in Wesel ist generell unkritisch", sagte Rodeck, mahnte aber, dass der Fehler im System liege. Mit Blick auf den Nachbarkreis Kleve betonte er, dass zuletzt flächendeckend auf jedem Quadratkilometer gegen die Düngemittelverordnung verstoßen worden sei. Eine weitere Novellierung der Düngemittelverordnung sei zwingend erforderlich - Rodeck verteidigte auch die Bauernschaft: "Der Landwirt hat keinen Spielraum mehr." Kooperationen wie die in Wesel könnten die Probleme zwar lindern, aber lange nicht lösen.

Dem widersprach der Weseler Landwirt Reinhard Buchmann in der Schlussrunde. "Die Kooperation ist der schnellste Weg, etwas zu erreichen, schneller als Politik und Gesetze etwas verändern können."

(RP)
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