Wegberg Kinder finden ihren Platz in der Krippe

Wegberg · Die Betreuung von unter dreijährigen Kindern gewinnt in unserer Gesellschaft an Bedeutung. Wie gelingt es Erzieherinnen, dass sich die Kleinen ohne Mama und Papa in der Kinderkrippe geborgen fühlen? Ein Erfahrungsbericht.

Der Frühstückstisch in der Nestgruppe ist reich gedeckt. Heute gibt es frische Gurken, Tomaten und knuspriges Knäckebrot mit Leberwurst. Janna Lennertz, Erzieherin im Anerkennungsjahr, schält ein paar Apfelstücke, stellt den Kakao auf den Tisch und rückt die Stühlchen zurecht. Milan, Leni Greta, Lotta, Emma, Clemens, Anna-Lena, Robbie, Charlotte und Sophie haben gemeinsam mit Gruppenleiterin Anastasia Zacepin das Lied vom kleinen Bär im Zoo gesungen. Jetzt dürfen die Kleinen am Frühstückstisch Platz nehmen. Kein Gedrängel, kein Geschrei. Es geht erstaunlich gesittet zu in der Nestgruppe, wo Kinder betreut werden, die jünger als drei Jahre sind.

Die katholische Kindertageseinrichtung "Rabennest" Harbeck, die mit dem katholischen Kindergarten St. Peter und Paul am Wegberger Rathausplatz das Familienzentrum "Hand in Hand" bildet, wurde im Jahr 2010 für die Betreuung von unter dreijährigen Kindern umgebaut. Die Einrichtung erhielt sogenannte Pikler-Materialien, die Kleinkindern einen besonderen Spielraum eröffnen. Die Möbel, die auf die Bedürfnisse der Kleinen zugeschnitten sind, regen zu Eigenaktivität im freien Spiel und Bewegung an. So wird aus dem Frühstückstisch mit wenigen Handgriffen ein Klettergerüst, und die Sitzhocker dienen im Spiel als Treppe.

"Was möchtest Du auf Deinem Brot haben?", fragt Erzieherin Vera Rhein in der Nestgruppe. "Höff!", ruft Leni Greta, während sie mit beiden Händchen auf die Leberwurstbrote zeigt und dazu unmissverständlich mit dem Kopf nickt. Charlotte entscheidet sich nach längerem Abwägungsprozess für ein leckeres Apfelstückchen. Vera Rhein weiß, worauf es im Umgang mit den Kleinen ankommt: "Man muss ihnen zuhören, sie genau beobachten und sie selbstbestimmt am Geschehen teilhaben lassen. Das braucht vor allem Zeit." Zeit, die sich die Erzieherinnen im hektischen Kita-Alltag ganz bewusst nehmen müssen. Zum Beispiel, um mit den Kleinen die persönlichen Fotobücher durchzublättern. Jedes Kind besitzt ein eigenes Fotobuch, in dem Mama und Papa, Geschwister und Haustiere abgebildet sind. Beim gemeinsamen Durchblättern bilden die Kleinen Vertrauen zu Erzieherinnen und zu anderen Kindern.

Die Philosophie, Kindern freie Bewegung zu ermöglichen und während der Pflege eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, geht einher mit dem sogenannten Berliner Modell: Durch eine behutsam gestaltete Eingewöhnungsphase wird den Kindern Schritt für Schritt die Abnabelung von Mutter und Vater erleichtert und wird die Beziehung zu einem neuen Bezugspersonenkreis aufgebaut. Das Modell sieht vor, dass das Kind die erste Zeit gemeinsam mit einer vertrauten Person die Einrichtung besucht, die sich dort über einen bestimmten Zeitraum aufhält. Nach und nach wird so der neue Kontakt zu den Kindern und den neuen Bezugspersonen aufgebaut. In den folgenden Wochen ziehen sich Mutter oder Vater immer mehr aus dem Blickfeld des Kindes zurück, bis dann erste räumliche Trennungen erfolgen.

"Über den gesetzlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag hinaus wollen wir den Kindern unseren christlichen Glauben näher bringen. Wir glauben, dass Gott die Welt erschaffen hat, in Jesus Mensch geworden ist und in seiner Kirche lebt", sagt Einrichtungsleiterin Margit Heckers. In einer kindgerechten Weise führen die Erzieherinnen die Kinder über Zeichen, Bilder und Geschichten des Glaubens hin zu Inhalten, wie sie sich zum Beispiel in Riten und Festen der Kirche ausdrücken. Wegbergs Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran, Gemeindereferentin Klaudia Rath und Kirchenchorleiterin Martina Haken besuchen das "Rabennest" regelmäßig, um mit den Kindern zu singen und Feste vorzubereiten. Um organisatorische Dinge kümmert sich Fred Hastenrath. Als Mitglied des Ortsausschusses St. Peter und Paul betreut er für die katholische Kirche als Träger den Harbecker Kindergarten in vorbildlicher Weise.

Es ist jeden Morgen das gleiche Ritual im "Rabennest": Erst dürfen sich die Kinder im großen Gruppenraum der Nestgruppe frei bewegen und spielen, dann bilden sie einen Singkreis, später wird gefrühstückt. "Ein geregelter, verlässlicher Tagesablauf ist wichtig für die Kinder", sagt Janna Lennertz. Der klar strukturierte Tagesablauf hilft den Kleinen dabei, in der Kinderkrippe Vertrauen zu Erzieherinnen und Spielgefährten aufzubauen. Das Berliner Modell hat sich bewährt. Vera Rhein: "Es ist doch schön, wenn am Ende der Eingewöhnungswochen den Eltern die Trennung schwerer fällt als den Kindern."

(RP)
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