Viersen Der Weg zurück in den Beruf ist steinig

Viersen · Für viele Mütter im Kreis Viersen, die ihre Arbeitsstelle aufgeben, ist der Wiedereinstieg in den Job mit großen Hindernissen verbunden. Experten sehen bei den arbeitslosen Frauen große Potenziale für den Arbeitsmarkt.

 Christine Hoffmanns ist alleinerziehende Mutter der kleinen Kesha und wird im September ihren dritten Anlauf unternehmen, im Berufsleben Fuß zu fassen.

Christine Hoffmanns ist alleinerziehende Mutter der kleinen Kesha und wird im September ihren dritten Anlauf unternehmen, im Berufsleben Fuß zu fassen.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Ihre Arbeit war für Maria Incognito-Fiasconello 17 Jahre lang ein bestimmender Lebensinhalt. Gemeinsam mit ihrem Mann führte die 43-Jährige eine Pizzeria in Anrath - bis zum April des vergangenen Jahres. Damals trennte sich das Paar, auch die Pizzeria schloss ihre Türen. Von jetzt auf gleich war Incognito-Fiasconello arbeitslos. Mit ihrem heute vierjährigen Sohn und ohne Ausbildung stand sie erst einmal alleine da - danach einen neuen Job zu finden, war alles andere als leicht.

Ähnlich wie Incognito-Fiasconello ergeht es in Deutschland vielen Frauen. Für viele Frauen, die aus familiären Gründen ihre Arbeit aufgeben, bleibt der Weg zurück in den Beruf erst einmal versperrt. Das zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit Krefeld/Kreis Viersen. In Viersen meldeten sich 2014 im Monatsdurchschnitt 56 Personen nach der Elternzeit arbeitslos. Den Weg zurück in den Beruf finden durchschnittlich 52 von ihnen. Besonders für Alleinerziehende sei der Wiedereinstieg oft schwierig, sagt Britta Bäcker, die Beauftragte für Chancengleichheit bei der Arbeitsagentur Krefeld/Viersen: "Die Gründe dafür sind unterschiedlich."

Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat in einer Befragung einige davon herausgefunden. 76 Prozent der Frauen gaben zum Beispiel an, nach der Geburt des Kindes überproportional durch Familienarbeit belastet zu sein.

Auch Christine Hoffmanns kennt die Probleme vieler Frauen auf dem Arbeitsmarkt: Die 26-jährige Viersenerin ist alleinerziehende Mutter und wird im September ihren dritten Anlauf unternehmen, im Berufsleben Fuß zu fassen.

Nach der Schule entschied sich die Viersenerin für eine Karriere bei der Bundeswehr. Dort lief es gut - bis sie eine schwere Knieverletzung zum Aufgeben zwang. Danach stand die junge Frau ohne Arbeit da und wurde schwanger. Hoffmanns beantragte Hartz IV.

Im Februar 2013 nahm sie einen Job im Einzelhandel an. Als die junge Mutter im August einen Ausbildungsplatz zur zahnmedizinischen Fachangestellten bekam, fiel ihr ein Stein vom Herzen - aber das neue Berufsglück währte nicht lange. Weil ihre Tochter gleich zu Beginn der Ausbildung häufig krank war und Hoffmanns deshalb fehlte, wurde sie entlassen. "Das war extrem frustrierend", sagt sie. "In dieser Phase habe ich kurz meinen Kopf in den Sand gesteckt."

Danach suchte Hoffmanns trotz der Rückschläge weiter nach Lösungen. Sie nahm an einem Wiedereinsteigerprogramm teil. "Man lernt dort, wie man Stellen findet oder Bewerbungsschreiben formuliert", sagt Hoffmanns. In ihrem Fall mit Erfolg. Sie bewarb sich beim Möbelhaus Schaffrath. In der Krefelder Filiale wird sie im September eine zweijährige Ausbildung zur Verkäuferin beginnen. Die dort Verantwortlichen zogen sie den vielen jüngeren und anderen qualifizierten Bewerbern vor.

Bäcker, die Mitarbeiterin der Arbeitsagentur, hält dies für keinen Zufall. Sie glaubt, dass Wiedereinsteigerinnen viele Kompetenzen mitbringen, die andere Bewerber nicht besitzen. "Mütter sind motiviert, stresserprobt und besitzen eine hohe soziale Kompetenz", erklärt Bäcker. "Bei Stellenausschreibungen sind es oft diese Kompetenzen, die verlangt werden."

Diese Eigenschaften bringt auch Maria Incognito-Fiasconello mit. Auch sie hat bei der Jobsuche Rückschläge erlebt, aber dank ihrer Hartnäckigkeit eine neue Perspektive gefunden. Bei der Deutschen Angestellten-Akademie in Krefeld drückt sie täglich von acht bis 15 Uhr die Schulbank und absolviert eine Umschulung zur kaufmännischen Angestellten. Nachmittags holt sie ihren Sohn von der Kita ab und verbringt dann mit ihm den Nachmittag. "Wenn er im Bett ist, setze ich mich an den Schreibtisch und lerne", sagt Incognito-Fiasconello. Fast beiläufig spricht sie über ihre Brustkrebserkrankung im Jahr 2011 und die darauf folgende Operation. Ihren Optimismus hat sie selbst während dieser Zeit nicht verloren. "Ein Ziel muss man haben, dann klappt alles", sagt sie.

"Für den Arbeitsmarkt schlummern bei den Frauen echte Schätze, auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel", sagt Bäcker. An vielen Orten suchen Arbeitgeber händeringend qualifizierte Kräfte - oft ohne Erfolg. Bäcker hat deshalb das Ziel, Frauen und Unternehmen zusammenzubringen.

Wie groß die Potenziale für den Arbeitsmarkt sind, zeigt ein abschließender Blick auf das Zahlenwerk. Die Beschäftigungsquote bei Frauen liegt in Viersen bei 44,4 Prozent, damit liegt Viersen im bundesweiten Vergleich auf Platz 330 von 400 erfassten Städten. NRW-weit beträgt die Beschäftigungsquote bei 45,1 Prozent - es arbeitet also nicht einmal jede zweite erwerbsfähige Frau.

(RP)
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