Tönisvorst Millionen-Poker geht in die zweite Runde

Tönisvorst · Bürgermeister Thomas Goßen hat zu einer Sondersitzung des Stadtrates eingeladen. In nichtöffentlicher Sitzung steht das Thema Konzession für das Stromnetz an. Das Landgericht Düsseldorf hatte eine einstweilige Verfügung erlassen.

Die Einladung zur fünften Sitzung des Stadtrates hat Seltenheitswert. In öffentlicher Sitzung stehen nur zwei Punkte auf der Tagesordnung: Die Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung und Beschlussfähigkeit des Rates der Stadt (sozusagen ein Pflichtthema) und schriftliche Einwendungen gegen den öffentlichen Teil der Niederschrift der letzten Sitzung. Dafür wird keine Sondersitzung anberaumt: Der Grund für die Sondersitzung des Rates steckt im nichtöffentlichen Teil.

Thema ist die Ausschreibung der Konzession für das Stromnetz in der Stadt Tönisvorst. Der Rat muss sich erneut damit befassen, weil die Ratsentscheidung vom 25. September von der Justiz gekippt wurde. Am 11. Dezember erließ das Landgericht Düsseldorf auf Antrag der Stadtwerke Krefeld eine einstweilige Verfügung gegen die Stadt Tönisvorst. Die Richter rügten das gewählte Verfahren.

Bürgermeister Thomas Goßen, der in der Sache keine Erklärungen abgibt, hat für die Stadt Rechtsbeistand gesucht. Er wird jetzt in der Ratssitzung das Ergebnis der Beratungen mitteilen. Dabei geht es um die Entscheidung, geht die Stadt den juristischen Weg und legt Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein oder folgt sie der Verfügung und schreibt die Konzession erneut aus?

Warum geht es eigentlich und warum ist die Entscheidung so relevant? Es geht um die Frage, wer in den nächsten 20 Jahren die Leitungen im Boden der Stadt Tönisvorst betreiben darf - unabhängig davon, wer den Strom an die Abnehmer liefert. Die Durchleitungskosten machen ein Millionenpaket aus, geschätzt handelt es sich um 20 bis 30 Millionen Euro. Beworben hatten sich zwei Stadtwerke aus der Region: Die NEW AG aus Mönchengladbach durch ihre Tochter NEW Tönisvorst und die SWK Netze der SWK AG aus Krefeld.

Was ist jetzt an dem Verfahren juristisch zu beanstanden gewesen? Im Vorfeld der Entscheidung hatten sich Verwaltung und Stadtrat auf ein Vergabeverfahren geeinigt, das transparent und objektiv sein sollte. Schon vor der wichtigen Entscheidung hatte der Bau-, Energie-, Verkehrs- und Umweltausschuss (BEVU) vorbereitend einen Kriterienkatalog erarbeitet, nach dem die Bewerber Punkte erhalten. Um das Verfahren transparent und unanfechtbar zu machen, ließ der Rat nicht die Verwaltung die Punktevergabe erledigen. Vielmehr wurde ein unabhängiger Dritter mit dieser Aufgabe betraut. Dazu gibt es zwei Ratsbeschlüsse, in denen man sich verpflichtete, das so zustande gekommene Ergebnis zu akzeptieren.

Das Ergebnis fiel denkbar knapp aus - und entwickelte in der Sitzung wohl eine Eigendynamik. Einige Ratsmitglieder müssen begonnen haben, die Kriterien, die vorher beschlossen worden waren, wieder in Zweifel zu ziehen und neu zu bewerten - so dass der vorherige knappe Favorit SWK nach hinten rutschte, und NEW den Auftrag erhielt. Diese Entscheidung fiel keineswegs einstimmig, sondern soll durchaus kontrovers getroffen worden sein.

Die Mitglieder des Stadtrates befinden sich jetzt in einer Zwickmühle. Man kann nicht zum Status quo der Punkteempfehlung zurückkehren, sondern muss neu ausschreiben. Kommen außer den zwei bisherigen Konkurrenten weitere Bieter hinzu? Damit ist nicht zu rechnen. Wird der Stadtrat die Vergabe jetzt selbst durchführen, vielleicht sogar müssen, weil der bisherige Partner verärgert ist? Wird das Ergebnis bestätigt, kommt es dann zu einer erneuten Klage? Dass der Stadtrat seine eigenen Entscheidungen über den Haufen wirft, kann ihn teuer zu stehen kommen.

(RP)
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