Solingen Vergnügte Stunden an einem öden Bahnhof

Solingen · Von Irrungen und Wirrungen auf dem Bahnsteig: Die Komödie "Endstation Irgendwo" ist im Theater Rampenlicht zu sehen.

 "Endstation Irgendwo" heißt das neue Stück im Programm des Rampenlicht Theaters. Das Stück wird noch mehrere Male im Autohaus Schönauen an der Friedrichstraße aufgeführt.

"Endstation Irgendwo" heißt das neue Stück im Programm des Rampenlicht Theaters. Das Stück wird noch mehrere Male im Autohaus Schönauen an der Friedrichstraße aufgeführt.

Foto: Rampenlicht

Gibt es etwas Trostloseres als einen Bahnhof? Ja. Einen Provinzbahnhof an einer Strecke, die stillgelegt werden soll. Hinweisschilder zeigen den Weg zur Anstalt der Notdurft, Graffiti und abgerissene Poster zieren die Wände, die Uhr steht, popelige Blumensträuße garnieren am Kiosk die Auslage der Zeitungen und Zeitschriften. Mittendrin die Bank auf dem Bahnsteig. Zu alledem schneit es auch noch. Ein Bahnhof irgendwo im nirgendwo. "Sind wir hier in einer Shakespeare-Komödie?", fragt die junge Linda, die mit ihrem "Lebenspartner auf Lebenszeit" am kalten Bahnhof wartet. Nun, von dem Mann aus Stratford-upon-Avon ist das Stück nicht, aber an den Verwicklungen und Verwirrungen hätte er sicher seine Freude gehabt. Es stammt aus der Feder des Düsseldorfer Autors und Theaterleiters René Heinersdorff: "Endstation Irgendwo". In der munteren Inszenierung von Jona Bastian Peters ist die Komödie im Theater Rampenlicht im Autohaus Schönauen noch bis Mitte Dezember zu sehen.

Linda und ihr Jens warten. Auf ihren Vater. Der hat sich vor 19 Jahren, als Linda noch ein Kind war, aus dem Staub gemacht. Jetzt möchte er Kontakt zu seiner Tochter aufnehmen und hat sie zum Bahnhof Irgendwo bestellt: "Ich bin da, wenn Du kommst." Aber er kreuzt nicht auf. Zwischen Coolness und Genervtheit lässt Marc Kelinski die Figur des Jens pendeln. Pia Schmidt - die in dieser Rolle ihr Debüt bei Rampenlicht gibt - taumelt durch das Gefühlschaos, das Linda zwischen Verletzlichkeit, Unglauben und Aggressivität hin und her reißt. Ebenfalls warten Gabriele und ihr Noch-Chef auf dem Bahnsteig. Nach 19 Jahren im Dienste des alten Griesgrams hat sie gekündigt, um sich endlich um den Enkel kümmern zu können, nachdem sie ihren Sohn lange vernachlässigt hat.

Sie warten auf das Ehepaar, das die Nachfolge antreten soll. Anja Scheske gibt herrlich schlagfertig die resolute und souveräne Haushälterin mit dem Herzen am rechten Fleck: "Die Zeit der Ausbeutung ist vorbei." Da fällt Gabrieles Chef Arthur natürlich aus allen Wolken. Aber selbst der gewünschte Kaffee am Kiosk wird ihr verweigert - zu teuer. Gabriele: "Sind wir wieder sparsam?" Arthur: "Nein! Geizig!" Toll zu sehen in der Rolle ist Winfried Eckert, der langsam aus dem alten Stinkstiefel einen geradezu sympathischen Zeitgenossen macht - fast so wie die Verwandlung des Mr. Scrooge aus Dickens Weihnachtsgeschichte. Als Arthur dann gar für 45 Euro eine Pulle Sekt am Kiosk kauft, kann Gabriele nur verdutzt fragen: "Hat er getrunken?"

Man ahnt es nun: Zwischen WC und Warteraum, Bahnsteig und Kiosk irren die vier Wartenden herum - und ein munter-grotesker Verwechslungsreigen nimmt seinen Lauf, der sich fast ins Irrwitzige steigert - zur sichtbaren Freude des Publikums. Wer ist Vater, wer Mutter, wer Tochter und wer Sohn von wem und warum? Und wo bleiben die Hausangestellten? In diesem Vierer-Ballett der Irrungen und Wirrungen scheint nur einer den Durchblick zu behalten: Stoisch und gelassen verkörpert Manfred Nöcker den Kioskbesitzer, der eigentlich nur noch seinen Feierabend im Sinn hat. Aber auch er ist eine etwas seltsame Erscheinung. Was soll man sonst von einem einstigen Gebirgsjäger der Nationalen Volksarmee halten, da es in der DDR noch nicht einmal ein richtiges Gebirge gab? Mit federnder Leichtigkeit erklimmt das Darsteller-Quintett die Berge des Wortwitzes, die dieser Komödie richtig Pfeffer geben. Bis hin zum Kalauer: "Wie ist ihre Tochter?" "Natürlich mit Messer und Gabel!"

Als Flaschen sammelnder Bahnhofs-Penner irrt da noch jemand durchs Publikum. Das ist Regisseur Jona Bastian Peters. "Eine Spielstätte in einem Autohaus? Das fand ich grandios", sagt der Düsseldorfer Theatermacher. "Da das Publikum in dem kleinen Theater fast auf der Bühne sitzt, ist es sehr intim und man kann es sehr gut mit einbeziehen." Diese Nähe mache den besonderen Reiz aus. "Gerade vom Stammpublikum bekommen wir regelmäßig positive Rückmeldungen." Mittlerweile ist Peters so etwas wie der Hausregisseur bei Rampenlicht geworden. "Für uns ist es einfach auch stressfreier, wenn wir nicht jedes Mal mit einem neuen Regisseur arbeiten müssen", sagt Rampenlicht-Mitglied Bianca-Maria Hoppe. Peters genießt besonders die Atmosphäre: "Es ist ein kleines Ensemble, in dem sich alle sehr gut verstehen." Eine Theaterfamilie, in der jeder auf den anderen Acht gibt. Wie das funktioniert, zeigt das aktuelle Stück "Endstation Irgendwo": Man kann durchaus zwei sehr vergnügliche Stunden an einem öden Bahnhof verbringen.

(RP)
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