Mehrheit im Parlament: Bundestag beschließt umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes
EILMELDUNG
Mehrheit im Parlament: Bundestag beschließt umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes

Interview mit Friedhelm Sträter Nach dem Gabeltest an die IHK-Spitze

Solingen · Friedhelm Sträter, 16 Jahre Präsident der Industrie- und Handelskammer, fordert mehr bergische Zusammenarbeit.

 Der Solinger Unternehmer Friedhelm Sträter und scheidende IHK-Präsident hält weiter an der Idee der bergischen Großstadt fest.

Der Solinger Unternehmer Friedhelm Sträter und scheidende IHK-Präsident hält weiter an der Idee der bergischen Großstadt fest.

Foto: Tinter, Anja

Herr Sträter, 16 Jahre waren Sie Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Wuppertal-Solingen-Remscheid. Was haben Sie in dieser Zeit nicht erreichen können?

Sträter Die bergische Großstadt habe ich nicht erreichen können. Es gibt schon so manchen, der frohlockt hat, dass ich diesen Gedanken aufgegeben hätte. Das habe ich aber durchaus nicht.

Sehen Sie denn die Angst der Solinger vor einer zu großen Dominanz Wuppertals gerechtfertigt?

Sträter Nein. Worin sollte sich denn eine Dominanz auswirken?

In Entscheidungen, die eher zugunsten Wuppertals gefällt würden als zugunsten Solingens.

Sträter Wenn es ein politisches Gremium gäbe, in dem Vertreter aller drei bergischer Großstädte Mitglied wären, dann würden all diese Entscheidungen demokratisch und somit fair gefällt.

Und warum ist es dazu noch nicht gekommen?

Sträter Weil die Politik noch nicht so weit ist.

Welche Vorteile würde eine bergische Großstadt denn bringen?

Sträter Ein kraftvolleres Handeln. Die Region könnte sich gegenüber den Nachbarn besser durchsetzen und gemeinsame Projekte besser stemmen.

Am 16. Mai wird Ihr Nachfolger gewählt. Wie zeitaufwendig ist so ein Ehrenamt?

Sträter Man muss schon einen Tag in der Woche investieren. Was muss der neue IHK-Präsident an Eigenschaften und Fähigkeiten mitbringen? Sträter (schmunzelt) Er muss einen Anzug tragen und deutsch vorlesen können.

Reicht das aus?

Sträter (lacht) Ja, das reicht im Wesentlichen aus. Die Kammer bereitet einen perfekt auf die jeweiligen Themen und Gesprächspartner vor.

Gerade Sie haben aber doch Ihre Rolle anders verstanden. Sie haben sich zu Wort gemeldet und der Wirtschaft im Bergischen Land eine Stimme gegeben. Das ist doch mehr als nur Reden ablesen und Anzug tragen.

Sträter Selbstverständlich ist das mehr. Ich habe versucht, der Wirtschaft im Bergischen Land den Stellenwert zu geben, der ihr gebührt. Das habe ich nicht nur in der Region getan, sondern darüber hinaus, beispielsweise als Vizepräsident der IHK NRW in Düsseldorf.

Entwickelt sich innerhalb langer und kontrovers geführter Diskussion nicht auch Frust?

Sträter Nein, das ist nicht Frust, das ist Arbeit. Und wer diese Arbeit scheut, darf ein solches Amt nicht übernehmen.

Braucht man den Kontakt in die Politik, um für die Ziele der Wirtschaft werben zu können?

Sträter Ja, diese Kontakte braucht man. Als ich anfing, da kannten die Oberbürgermeister von Wuppertal, Remscheid und Solingen einander nicht. Und jetzt duzen sie sich alle.

Das schreiben Sie Ihrem Einfluss zu?

Sträter Ja, es war mir wichtig, dass die Spitzen der drei bergischen Großstädte gut miteinander zusammenarbeiten. Es gab eine Zeit, da habe ich jeden Termin wahrgenommen, an dem ich einen oder mehrere Oberbürgermeister habe treffen können. Irgendwann wird der Kontakt dann so vertrauensvoll, dass man offen miteinander reden kann.

Wie zum Beispiel über das Thema Infrastruktur. Die Ertüchtigung des Solinger Autobahnanschlusses an die A3 im Langenfelder Stadtteil Wiescheid verzögert sich. Wie wichtig ist das Thema für die Wirtschaft?

Sträter Wir machen nicht immer wieder auf dieses Thema aufmerksam, um aus Spaß mit der rot-grünen Landesregierung zu streiten, sondern weil wir der Meinung sind, dass es wichtig ist. Der Autobahnanschluss Solingen ist ein direktes politisches Übel, und ich verstehe die Motive nicht, die hinter dieser Entscheidung stecken, diese kleine Lösung als Ersatz für eine Fortführung der Viehbachtalstraße bis zum Autobahnkreuz Langenfeld über neue Straßen zu bevorzugen. Zurzeit herrscht am Autobahnanschluss zur A3 jeden Tag ein kilometerlanger Stau, sogar Samstag- und Sonntagmorgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit der "kleinen Lösung" den Menschen hilft, die an dieser Straße leben. An der Situation wird sich auch künftig nicht viel ändern. Das ist einfach eine Schweinerei, was da passiert.

Was sind die Erfolge, auf die Sie gerne zurückblicken?

Sträter Die Gründung der Bergischen Entwicklungsagentur sehe ich als Meilenstein für das Städtedreieck an. Ein guter Erfolg ist meines Erachtens nach die Entwicklung der Zusammenarbeit mit der Bergischen Universität Wuppertal. Sie ist für das Städtedreieck ausgesprochen wichtig und auch effektiv. Sie ist wirtschaftsfördernd im wahrsten Sinne des Wortes und ein angenehmes Gegengewicht zu anderen Bildungsbereichen, in denen es Defizite gibt.

Welche Defizite?

Sträter Mir wurde berichtet, dass Studenten, die im ersten halben Jahr die Universität besuchen, erst einmal Nachschulungen absolvieren müssen, damit sie überhaupt verstehen, was der Dozent da vorne sagt.

Sie meinen, die Umstellung vom schulischen zum universitären Lernen fällt den jungen Menschen schwer?

Sträter Nein, ich spreche von Bildungslücken in Mathematik, Deutsch und Geschichte. Selbst angehende Lehrer beherrschen die Grundrechenarten nicht.

Wie war denn Ihr eigener Übergang von der Schule in den Beruf?

Sträter Meine Schulausbildung war damals mehr als mager. Ich habe mit 14 Jahren meine Lehre zum Industriekaufmann begonnen. Man muss also als Kammerpräsident nicht zwingend studiert haben (schmunzelt). Mit 17 bin ich in die Firma meines Vaters eingetreten und musste mit 18 die Leitung übernehmen, weil mein Vater starb. Das war damals ein Sechs-Mann-Betrieb, für den ich plötzlich alleine die Verantwortung hatte.

Stand nie in Frage, dass Sie die Nachfolge Ihres Vaters antreten?

Sträter Ich konnte nichts anderes. Ich hätte damals vielleicht irgendwo für 500 Mark als kaufmännischer Angestellter arbeiten können. Aber das war mir auch zu wenig.

Was war Ihr Antrieb, ein Ehrenamt zu übernehmen?

Sträter Ich war schon früh Mitglied der Wirtschaftsjunioren und wurde über sie an diese Aufgaben herangeführt. Ich war damals der Organisator des Jahresausfluges und der Feste, also mit den wirklich wichtigen Aufgaben betraut (lacht), und bin über die Wirtschaftsjunioren in Kontakt mit den Verantwortlichen der IHK gekommen. Einige Zeit später hat man mich dann den "Gabeltest" machen lassen.

Was ist das?

Sträter Mein Vorgänger Dr. Jörg Mittelsten Scheid hat mich ins Vorstandscasino von Vorwerk eingeladen, mir ein dreigängiges Menü angeboten und geguckt, ob ich anständig mit Gabel und Messer essen kann.

Haben Sie diesen Gabeltest mit Ihrem möglichen Nachfolger auch schon vollzogen?

Sträter Nein. Ich weiß auch so, dass er das kann.

Was machen Sie nach dem 16. Mai, wenn Ihr Nachfolger gewählt ist?

Sträter Erst einmal keine weiteren Tätigkeiten für die IHK. In unseren Firmen bin ich nur noch Berater, stehe aber meinem Sohn gerne zur Seite. Ansonsten versuche ich, das Leben zu genießen.

Uwe Vetter und Alexandra Rüttgen stellten die Fragen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort