Solingen Hanaa S.: Handy-Ortung belastet Angeklagte

Solingen · Was mit der im April 2015 verschwundenen Irakerin Hanaa S. wirklich passierte, lässt sich auch rund drei Monate nach dem Beginn des Mordprozesses am Wuppertaler Landgericht nicht zweifelsfrei klären - die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die 35-jährige Jesidin aus ihrer Solinger Wohnung entführt und von ihrem Ehemann, dreien seiner Geschwister und ihrem eigenen Sohn getötet wurde. Allein: Eine Leiche fehlt genauso wie direkte Tatzeugen.

Gestern sollte ein Experte der Kriminalpolizei der Indizienkette ein weiteres Steinchen hinzufügen. Er war an der Auswertung von Mobilfunkdaten beteiligt. Anhand der Analyse lässt sich nachvollziehen, wo sich Hanaa S. am Tag ihres Verschwindens womöglich befand. So wurde das Handy des mutmaßlichen Mordopfers zunächst im Umfeld ihrer Wohnung an der Hasselstraße und dann in Hilden, Düsseldorf, Leverkusen und später in Köln geortet - in Reichweite zur Wohnung ihres Schwagers, der auch zu den Angeklagten gehört. Der hatte gegenüber der Polizei dargelegt, welche Orte er an jenem Tag beruflich aufgesucht hatte. Sein Weg führte ihn unter anderen ins Ruhrgebiet. Nicht erwähnt hatte der Mann aber, dass er sich, wie die Handydaten nahelegen, zwischenzeitlich auch in Düsseldorf in Nähe der Uni aufgehalten hatte - in der selben Gegend und zur gleichen Zeit, in der auch Handysignale der Vermissten aufgezeichnet wurden.

Das Handy ihres Ehemannes ortete der Mobilfunkanbieter hingegen vorübergehend in Hilden - auch dabei stellten Ermittler eine zeitliche und räumliche Überschneidung zum mutmaßlichen Mordopfer fest. Beide Handys haben sich demnach für sieben Minuten am selben Ort befunden. Allerdings räumte der Ermittler ein, dass die Handy-Ortung störanfällig sei und, in Abhängigkeit von Witterungsbedingungen und der Auslastung des jeweiligen Sendemastes, Abweichungen vom tatsächlichen Aufenthaltsort des Handys vorkommen könnten.

Auch die Vorgeschichte des möglichen Verbrechens beschäftigte einmal mehr die Kammer. Die Mitarbeiterin des Leverkusener Frauenhauses, in dem sich die sechsfache Mutter Hanaa S. zwischenzeitlich gemeinsam mit einer Tochter versteckt hielt, übergab dem Gericht Unterlagen, die die Gespräche der irakischen Jesidin mit dem Personal über ihre Lebensumstände wiedergeben. Von starken Repressalien durch ihren Ehemann ist darin die Rede. Er soll sie beschimpft und im gemeinsamen Haus eingesperrt haben, bevor sie ihn verließ. Zu den Dokumenten gehörte auch der Untersuchungsbericht eines Krankenhauses, in das die Frau nach einem Ohnmachtsanfall eingeliefert worden war. Als Ursache des Zusammenbruchs gaben die Ärzte die schwere psychische Belastungssituation der Frau an. Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen waren nicht festzustellen. Das Verfahren wird fortgesetzt.

(ied)
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