Solingen "Bio" ist für Philip Simon der neue Ablasshandel

Solingen · Die niederländische Großstadt Enschede liegt nahe an der deutschen Grenze. Philip Simon hatte es also von seiner Geburtsstadt nie weit bis nach Deutschland. Inspiriert zu seinen Bühnenauftritten wurde er aber von den bedeutenden holländischen Entertainern wie zum Beispiel Toon Hermans und Freek de Jonge. Karriere machte der heute 40-Jährige aber in Deutschland - als Conférencier und Moderator auf Kleinkunstbühnen und Varietés. Ein wenig hatte er anfangs den Erfolg auf der Bühne und später im Fernsehen auch seinem niederländischen Akzent zu verdanken, mit dem er gerne und ausgiebig kokettierte.

Philip Simon gastierte jetzt in der Reihe Kleinkunst.

Philip Simon gastierte jetzt in der Reihe Kleinkunst.

Foto: Hertgen (Archiv)

Heute ist der Akzent weg, Simon spricht perfektes Hochdeutsch. Gleichzeitig erlebte der Unterhaltungskünstler eine Metamorphose hin zum sarkastischen, politischen und kenntnisreichen Kabarettisten, der am Samstagabend in der Reihe Kleinkunst im gut besuchten kleinen Konzertsaal des Theater und Konzerthauses das Publikum begeisterte.

Gewohnt an den ehemals eher sanften Stil des Entertainers und Kabarettisten waren die Zuschauer anfangs etwas überrascht, über die mit innerer Spannung vorgetragenen Polit-Pointen, die an Schärfe nichts zu wünschen übrig ließen. Allein schon im Titel seines Programmes "Anarchophobie - die Angst vor Spinnern" finden sich mehr als ein halbes Dutzend Wortspiele. Aber Philip Simon belässt es nicht bei geistreichen Wortverdrehungen, er spricht kompromisslos Klartext. Wie konnte die angeblich solidarische Gemeinschaft Europas annehmen, dass Griechenland jemals mit Oliven und Feta-Käse Exportweltmeister werden würde? Wozu brauchen wir eigentlich die inflationär wachsende Anzahl an Motivationstrainern? Natürlich darf bei dem mehrfach preisgekrönten Kabarettisten Philip Simon auch viel gelacht werden, aber nach der Pointe kommt immer wieder das Nachdenken.

Der gesunde Menschenverstand ist nach Meinung des deutsch-niederländischen Kabarettisten schon lange auf der Strecke geblieben. Empathie gibt es nur noch zu Weihnachten, die Waffe ersetzt die Argumente, und die Pegida-Bewegung wird zum Musikantenstadl der angeblich besorgten Bürger. Viele Pointen findet Simon auch in seiner Schilderung der Menschen in den Bio-Märkten - der Einkauf dort soll das Gewissen der Käufer beruhigen. "Das ist der moderne Ablasshandel", meinte der Kabarettist. Zudem ist eben nicht alles "Bio", was als solches angepriesen wird, der Mensch will betrogen werden, und akzeptiert es gerne als Ersatz für den verlorenen Glauben.

Philip Simon nimmt in seinem Programm kein Blatt vor den Mund. Das hat ihm nicht nur Freunde beschert, sondern er wurde auch mit vielen Anfeindungen konfrontiert. Trotz zeitweiliger Resignation wird Simon nicht aufgeben - das ständige appellieren an den Intellekt der Menschen muss doch irgendwann Früchte abwerfen, sonst wäre ja alle Anstrengung umsonst.

(wgü)
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