Rommerskirchen Erschütterndes Zeitdokument macht das Kriegsleid greifbar

Rommerskirchen · Es ist auch heute noch ein erschütterndes Zeitdokument, das Adi Deutzmann in den Händen hält. Erinnert es doch an den verheerenden Bombenangriff, den die neunte Bomberdivision der US-Army am 1. März 1945, wenige Wochen vor Kriegsende, auf Rommerskirchen flog. Mehr noch: Am Schicksal einer Familie macht ein Brief von Deutzmanns Onkel Hubert auch heute noch deutlich, welches Leid die Bürger des Ortes damals erfahren haben.

Der Brief, datiert vom 3. März 1945 und gerichtet an Huberts Bruder Reiner, schildert, was zwei Tage zuvor geschehen ist: "Lieber Bruder! Mit schwerem Herzen muß ich Dir nun eine ganz traurige Nachricht geben. - Aber fasse Dich, lieber Bruder, etwas Schlimmeres konnte Dich nicht treffen. Vorgestern wurde Rommerskirchen schwer heimgesucht, ein Bombenteppich wurde gelegt und viele Tote sind zu beklagen. Es sollen über 100 sein. Ich kann sie Dir drum auch nicht alle nennen. Nur die Dir nahe standen - Nagel Peter (Dein Schwager mit Frau und beiden Kindern)."

Noch im Februar 1945 war im Kirchturm von St. Peter eine Funkanlage installiert worden, an der Venloer Straße/Ecke Kirchgasse befand sich ein mit SS-Leuten besetztes Chiffrierbüro. Diese Einheit wollten die US-Bomber zerstören. 40 Bomber legten ab 11.01 Uhr den Ort in wenigen Minuten in Schutt und Asche, das Kirchenschiff wurde dem Erdboden gleich gemacht, nur der Turm blieb schwer beschädigt stehen. Erst im zweiten Absatz seines Briefes wagt Hubert seinem Bruder vom vollen Ausmaß der Tragödie zu berichten: "Deine Schwiegermutter hatte (...) ein paar Tage vorher, um Deine Familie im Bunker von Schmitz Michel sicher zu bringen, sie nach Rommerskirchen geholt. Nun wurden durch die vielen Bomben die Zugänge verschüttet und die Insassen waren bei sofortiger Hilfe bis auf 2 von etwa 50 Personen verloren. Deine liebe Frau (Franziska) hat noch kurze Zeit gelebt und wurde nach Nettesheim gebracht, wo sie starb, und Dein liebes Kind (Elisabeth) wurde im Bunker bereits tot gefunden. Lieber Bruder, jetzt habe ich Dir das große Leid mitgeteilt. Verurteile mich, aber ich hielt es für meine Pflicht. (...) Nimm es mir nicht übel, dass ich Dir gestern nicht schrieb, weil ich verhindert war. (...) Ich gebe diesen Brief einem Soldaten mit."

Heute weiß man, dass am Tag, als Hubert Deutzmann den Brief geschrieben hat, die zwischen 140 und 150 Todesopfer in einem Massengrab am "Clivver" beigesetzt wurden - allerdings nicht Franziska und Elisabeth, den Hubert schreibt weiter: "Die Beerdigung soll auch möglichst schnell stattfinden. Da habe ich gestern schweren Herzens das Grab für Deine beiden Lieben gemacht, und zwar auf unserem Familiengrab." Nachdem die ersten Kriegsschrecken überwunden waren, heiratete Reiner Deutzmann erneut und Sohn Adi kam zur Welt.

(bero)
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