Prozess vor dem Krefelder Landgericht Lotto-Prozess mit „Totstell-Taktik”

Prozess vor dem Krefelder Landgericht · Mit Spielfilm-Qualität startete am Freitag der Lotto-Prozess vor dem Krefelder Landgericht. Auf der Anklagebank saß die Leitung der "Deutschen System Lotto GmbH”, sechs Männer und eine Frau, alle türkischer Abstammung.

Ihr Ziel soll es gewesen sein, innerhalb eines Jahres Lottospieler in ganz Deutschland - darunter auch aus dem Rhein-Kreis Neuss - um 20 bis 30 Millionen Euro zu erleichtern. Tatsächlich hoben sie von den Konten der über 8000 Glücksritter insgesamt 1,2 Millionen Euro ab. Yüsel Ö. soll das bis ins Detail ausgeklügelte System geplant haben.

Kaum ein Prozessbeobachter mochte ihm das am Freitag zutrauen. Die schwarzen Haare standen dem 31-Jährigen zu Berge, der Bart wucherte. In einem Jogging-Anzug saß er neben seinem Anwalt und bot ein Bild des Jammers. So bezeichnete ihn ein Anwalt denn auch als "scheintoten Mitstreiter”. Die Sachverständige sah das jedoch anders.

Sie nahm Yüsel Ö. die Rolle des depressiv Leidenden nicht ab und sprach von einer "Totstell-Taktik” , um sich dem Prozess zu entziehen. Das Gericht folgte ihren Ausführungen. Sehr zum Ärger mehrerer Anwälte. Sie warfen dem Vorsitzenden "Kasernenhofstil” vor und nannten ihn ein "juristisches Chamäleon”. Richter Luczak rief einen Juristen daraufhin zur Ordnung.

Mit Beifall begrüßten Freunde des Angeklagten den Einwand von Ö.'s Anwalt, dass ein faires Verfahren nicht gewährleistet sei, solange die Kammer den Persönlichkeitsverfall seines Mandaten ignoriere und zur Tagesordnung übergehe. Der Vorsitzende drohte den Zuschauern mit Verweis.

Doch worum es eigentlich ging: Die "Deutsche System Lotto GmbH” (DSL) soll über Call-Center in Düsseldorf und Büros in Krefeld bundesweit Kunden geworben haben. Dabei versprachen die Mitarbeiter garantierte Gewinne, mindestens aber 1250 Euro. Sie animierten die Spieler, gleich mehrere Verträge abzuschließen, um ihre Gewinnchancen zu erhöhen.

Im Gegenzug erhielt die DSL Kontoeinzugsermächtigungen. Bis zu 25 Mal soll sich Yüsel Ö. an einem Tag von einem Kundenkonto bedient haben. Der höchste Betrag in drei Monaten belief sich auf stattliche 96 572 Euro. (bk/sr)

(NGZ)
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