Justizvollzugsanstalt in Lüttringhausen Angriffe in der JVA – Leiterin warnt vor Hysterie

Lüttringhausen · Neun schwere Attacken hatte es im vergangenen Jahr in den Justizvollzugsanstalten des Landes gegeben, zwei davon in der JVA an der Masurenstraße.

 Die JVA Remscheid an der Masurenstraße.

Die JVA Remscheid an der Masurenstraße.

Foto: Körschgen, Jürgen (jko)

Es hatte in den Wochen zuvor Anzeichen gegeben. Der Mann war unruhig und wegen depressiver Stimmungsschwankungen in ärztlicher Behandlung. An diesem Tag hatte er seine Medikamente im Lazarett abgeholt und nach dem Einschluss in der Zelle auf den Knopf gerückt, der den JVA-Bediensteten per Lichtzeichen signalisiert: Bitte aufschließen – ich habe ein Anliegen. Das ist Routine im Knast und nichts, weswegen man hätte misstrauisch werden müssen. An diesem Tag jedoch lief es anders.

Gleich nach dem Öffnen der Türe wurde der JVA-Bedienstete von einem Faustschlag im Gesicht getroffen. Zuvor hatte es einen ähnlichen Fall gegeben – auch da war es ein Schlag mit der Faust und auch dieser Täter litt unter einer psychischen Erkrankung. Das Opfer, ebenfalls ein JVA-Bediensteter, war wegen einer geschwollenen Nase zwei Tage krankgeschrieben.

Diese beiden Fälle verbergen sich hinter dem, was das NRW-Justizministerium kürzlich in einem schriftlichen Bericht veröffentlicht hat. Neun schwere Attacken hatte es 2019 in den Justizvollzugsanstalten des Landes gegeben, zwei davon in der JVA an der Masurenstraße. Dennoch warnt Anstaltsleiterin Katja Grafweg vor überzogener Hysterie: „Das ist nichts, was das Berufsbild des JVA-Bediensteten maßgeblich bestimmt.“ Man habe es in einer JVA auf engstem Raum mit Menschen zu tun, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden würden. Viele seien psychisch auffällig – in einem der beiden eingangs erwähnten Fälle sitze der Täter zudem eine lange Haftstrafe ab. Der Mann sei gleich nach dem Faustschlag in die psychiatrische Abteilung des Justizvollzugskrankenhauses verlegt worden. Auch der andere Insasse, der unvermittelt mit der Faust zugeschlagen hatte, musste die Zelle wechseln. „Nach einem solchen Vorfall ist die Vertrauensbasis zerstört“, sagt Grafweg.

Um sich in kritischen Situationen verteidigen zu können, würden die Beamten einmal in der Woche gezielte Deeskalationsstrategien einüben. Hinzu komme das Training von Sicherheitstechniken zu Abwehr von Angriffen. Außerdem gebe es Schutzkleidung, die sich Bedienstete anziehen könnten. „Randaliert jemand schon vor dem Aufschluss in seiner Zelle, können sich die Mitarbeiter damit schützen“, sagt Grafweg. Eines sei jedoch klar: Ist eine Situation eskaliert, wird der Gefangene innerhalb der Anstalt und schlimmstenfalls in eine andere JVA, oder auch in die Psychiatrie des Justizvollzugskrankenhauses verlegt. Anders könne man dem Vertrauensmissbrauch nicht begegnen.

Ein großes Problem in Haftanstalten: Viele der Insassen leiden zusätzlich zur belastenden Haftsituation an psychischen Erkrankungen. Um sie im Blick zu behalten, gibt es regelmäßige Gespräche. Geht er arbeiten? Geht er zum Sport? Bekommt er Besuch? Zu all diesen Fragen sei man in stetigem Austausch. „Manche Insassen beschäftigen uns in wöchentlichen Sonderkonferenzen“, sagt Grafweg. In derartigen Fällen werde der psychologische Dienst oder auch der Psychiater hinzugezogen – nötigenfalls würden die Betroffenen in die Psychiatrie verlegt werden. Etliche der Bediensteten hätten im „Tannenhof“ hospitiert, um sich mit den Folgen psychischer Erkrankungen vertraut zu machen. Man tue viel, um die Lage im Griff behalten zu können.

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