Remscheid Hassprediger störte Gefängnis-Frieden

Remscheid · Werden muslimische Jugendliche hinter Gittern radikalisiert? Nicht in Remscheid, sagt Anstaltsleiterin Katja Grafweg. Religiöse Betreuung, geschätzte Freiräume und eine funktionierende Sozialkontrolle wirken dieser Gefahr entgegen.

 Macht das Leben hinter Gefängnistüren anfällig für Radikalisierung? In der Vollzugsanstalt in Lüttringhausen ist davon bis auf einen Einzelfall bisher nichts zu spüren.

Macht das Leben hinter Gefängnistüren anfällig für Radikalisierung? In der Vollzugsanstalt in Lüttringhausen ist davon bis auf einen Einzelfall bisher nichts zu spüren.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Als sich ein junger deutscher Häftling Haare und Bart wachsen ließ, und begann, auf immer fanatischere Art und Weise Einfluss auf seine Mithäftlinge zu nehmen, wuchs bei den Betroffenen bald der Unmut gegen den selbst ernannten islamistischen Hassprediger. "Es gab Widerstand", erinnert sich Anstaltsleiterin Katja Grafweg an den Fall, der schon eine Weile zurückliegt. Die Mithäftlinge hätte das radikale Auftreten des jungen Konvertiten als störend empfunden. "Sie fürchten, dass ihre Freiräume eingeschränkt werden könnten, wenn innere Kräfte negativen Einfluss ausüben", sagt Grafweg.

 Gefängnisleiterin Katja Grafweg achtet darauf, dass auch muslimische Häftlinge religiöse An-sprechpartner haben.

Gefängnisleiterin Katja Grafweg achtet darauf, dass auch muslimische Häftlinge religiöse An-sprechpartner haben.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Spätestens seit bekannt wurde, dass sich die Attentäter von Paris im Gefängnis kennenlernten, geraten Haftanstalten als mögliche Orte der Radikalisierung junger Muslime in den Blick. NRW-Innenminister Thomas Kuschaty hat angekündigt, die "religiöse Betreuung" von jungen Muslimen im Strafvollzug ausbauen zu wollen. Konkrete Hinweise auf eine religiöse Radikalisierung von Häftlingen sieht der Minister derzeit nicht.

Gefängnisleiterin Grafweg bestätigt diesen Befund für die Haftanstalt in Lüttringhausen. Dafür gebe es Gründe. Das oben genannte Beispiel belege, dass die soziale Kontrolle der Mithäftlinge funktioniere. In Remscheid sind viele Inhaftierte mit längeren Haftstrafen untergebracht. Nur 30 von insgesamt 520 im geschlossenen Vollzug sind unter 25 Jahre alt. Die Fluktuation ist geringer als in anderen Gefängnissen. Ein somit stabileres inneres Sozialgefüge mit überwiegend älteren Häftlingen wirkt Radikalisierung entgegen.

In 30 von 36 NRW-Haftanstalten sind derzeit insgesamt rund 100 muslimische Seelsorger tätig. Sie werden angeblich vom Verfassungsschutz überprüft. Auch in Remscheid gibt es Imame und Vorbeter, die Häftlinge bei religiösen Riten wie Gebeten und Festen unterstützen. Vermittelt werden sie über die örtliche Ditib-Gemeinde, die von türkischen Staat finanziert und gesteuert wird. Nachdem die Zusammenarbeit mit der Ditib in der vergangenheit an Intensität verloren hatte, sei nun wegen konkreter Nachfragen von Häftlingen ein neuer Anlauf unternommen worden. Sieben zugelassene Religionsbeauftragte nehmen in diesem Monat ihre Arbeit auf. Der Duisburger Verein Strafgefangenen- und Krankenseelsorge (Suks) unterstützt die Bemühungen der Anstaltsleitung, muslimischen Häftlingen religiöse Ansprechpartner zu geben, zusätzlich. Die Kontakte solcher Ansprechpartner verlaufen der Anstaltsleiterin zufolge nicht unkontrolliert. So gebe es auch in Remscheid Vollzugsbeamte mit Migrationshintergrund, die türkische oder arabische Sprachkenntnisse hätten. Sie begleiten den Betreuungsprozess und sind zugleich wichtige Seismographen möglicher Radikalisierungstendenzen hinter Gittern.

Die Forderung des NRW-Justizministers, vermehrt Migranten in den Justizdienst zu übernehmen, bewertet Katja Grafweg positiv. Allerdings zeige die Erfahrung, dass sie bei den zweitägigen Auswahlverfahren zur Einstellung häufiger an gesonderten Schulleistungstests wie Diktaten und Aufsätzen scheiterten, so die Gefängnisleiterin.

(RP)
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