Torsten Schams "Müssen die einmalige Chance nutzen"

Ratingen · Der Ratinger ist jetzt Kreisbrandmeister. Sein größtes Ziel ist es, die Feuerwehr fit für die Zukunft machen.

 Der Bereich Katastrophenschutz wird derzeit wegen der schweren Unwetterlagen und möglicher Terrorgefahr nahezu neu erfunden, sagt Torsten Schams.

Der Bereich Katastrophenschutz wird derzeit wegen der schweren Unwetterlagen und möglicher Terrorgefahr nahezu neu erfunden, sagt Torsten Schams.

Foto: dietrich janicki

Herr Schams, seit gestern sind Sie offiziell neuer Kreisbrandmeister - also der oberste Feuerwehrmann im Kreis.

Torsten Schams Entschuldigung - da muss ich gleich einhaken. Der Kreisbrandmeister stellt für die rund 1900 hauptberuflichen und ehrenamtlichen Feuerwehrleute im Kreis die Fachaufsicht dar, übernimmt in bestimmten Fällen auch die Einsatzleitung, aber streng genommen bin ich nicht der Chef der Truppe. Ich bin Bindeglied und gleichzeitig Berater des Landrates in allen Fragen, die den Brandschutz und die Hilfeleistung betreffen. Darüber hinaus erfülle ich noch die Aufgabe des Abteilungsleiters Bevölkerungsschutz beim Kreis Mettmann und zeichne mich somit auch für den Rettungsdienst und den Katastrophenschutz verantwortlich.

Sie sind seit über 25 Jahren Feuerwehrmann, in Ratingen regelmäßig im Einsatzdienst mit gefahren. Und jetzt nur noch ein Schreibtischjob?

Schams Die Entscheidung habe ich ganz bewusst getroffen. In 25 Jahren habe ich fast alles erleben dürfen und auch müssen. Zum Schluss habe ich naturgemäß auch in Ratingen vermehrt den Schreibtisch gesehen. Umso größer ist dann die Motivation, neue und übergeordnete Projekte zu übernehmen. Hier habe ich die Möglichkeit, mich aktiv einzubringen in die Bewältigung der vielen Herausforderungen, die in den kommenden Jahren auf den Bereich Feuerwehr, Rettungsdienst als auch auf den Katastrophenschutz zukommen.

Ein Thema ist die Kreisleitstelle.

Schams Sie ist ein wichtiger Bestandteil unserer Agenda 2020, die sich mit den zukünftigen Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Feuerwehren auf Kreisebene beschäftigt. Fakt ist, dass wir die Kreisleitstelle in den jetzigen Räumlichkeiten der Feuerwehr Mettmann nicht belassen können. Der Platz reicht einfach nicht aus. Sie müssen davon ausgehen, dass wir für eine Leitstelle unserer Größe eine Fläche von um die 900 Quadratmeter brauchen. Die jetzigen Räumlichkeiten sind nicht einmal halb so groß.

Es war zu hören, ein Neubau in der Nähe der Kreispolizeibehörde in Mettmann sei beschlossene Sache?

Schams Das ist definitiv falsch. Es tagt seit kurzem ein Arbeitskreis der Städte zum Thema Kreisleitstelle, in dem es zuerst einmal darum geht, ob wir überhaupt neu bauen oder zum Beispiel eine Stadt für uns als Kooperationspartner auftritt und die Leitstelle betreibt. Wir müssen diese einmalige und historische Chance nutzen. Ziel muss es sein, dass sich wirklich alle Städte des Kreises auf die Leitstelle aufschalten. Die Qualität und Leistungsfähigkeit der Kreisleitstelle muss die vier Kommunen, die den Notruf noch selbst bedienen, überzeugen, sich gerne an dem Gesamtkonzept zu beteiligen.

Die Kreisleitstelle immer wieder in der Kritik.

Schams Ich bin der Meinung, dass hier grundsätzlich eine sehr gute Arbeit geleistet wird. Trotzdem dürfen wir niemals gänzlich zufrieden sein und müssen fortwährend das Eine oder Andere optimieren. Fortschritt duldet keinen Stillstand! Deshalb erstellt der Arbeitskreis zum Beispiel gerade ein exaktes Leistungsverzeichnis, das im März vorliegen soll und klären soll, was die kreisangehörigen Feuerwehren von einer Kreisleitstelle als "Dienstleister" erwarten?

Die Agenda 2020 umfasst aber mit Sicherheit noch mehr?

Schams Wir müssen Feuerwehr, Rettungsdienst und im Allgemeinen den Bevölkerungsschutz fit für die Zukunft machen. So wird der Bereich Katastrophenschutz zurzeit nahezu neu erfunden, da sich die Gefährdungslage etwa durch schwere Unwetterlagen oder durch die abstrakte Terrorgefahr immer stärker verändert. Man kann sich nicht auf alles vorbereiten, aber wir versuchen, uns mit so vielen Szenarien wie möglich zu beschäftigen. Je besser man vorbereitet ist, umso erfolgreicher können wir solche Geschehnisse abarbeiten.

Gibt es eine Vision, die Sie gerne verwirklichen möchten?

Schams Die gibt es. Und wir sind bereits dabei, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. Es wäre toll, wenn wir als Kreis zukünftig selbst eine Feuerwehr- und Rettungsdienstschule unterhalten würden. Bisher entsenden die Feuerwehren ihre hauptamtlichen Kräfte in andere Städte und zahlen dafür Geld. Warum soll man das nicht umschichten? Mit einem passenden Grundstück, vielleicht in Kombination mit der Kreisleitstelle, gäbe es viele Möglichkeiten, vielleicht sogar eine eigene Übungshalle, in der man wetterunabhängig bestimmte Einsatzszenarien üben kann. Insbesondere aber auch die Aus- und Fortbildung des Ehrenamtes muss von einer Kreis-Ausbildungsstätte partizipieren.

Sie sprechen das Ehrenamt an. Es ist im Kreis von besonderer Bedeutung.

Schams Ohne das hohe ehrenamtliche Engagement ist der Brandschutz in den kreisangehörigen Gemeinden nicht sicher zu stellen. Diesen Umstand spiegeln auch alle Brandschutzbedarfspläne wider. Wir müssen nicht nur Bürger für das ehrenamtliche Engagement werben, sondern auch viel dafür tun, um diese Leute zu halten. Die Ehrenamtler müssen etwa die Möglichkeit haben, neben den originären Aufgaben des Brandschutzes oder der Hilfeleistung sich selbst zu verwirklichen, sei es als Koch für die Mannschaft, beim Fotografieren für die Öffentlichkeitsarbeit, bei der Organisation einer Veranstaltung oder beim Restaurieren alter Fahrzeuge.

Thema Motivation des Ehrenamtes. Ratingen prüft derzeit, eine Zusatzrente einzuführen.

Schams Das ist eine sehr bedeutsame Idee zur Schaffung eines weiteren Anreizes und eine optimale Möglichkeit, sich als Kommune bei den Ehrenamtlern dankbar zu zeigen. Ein weiterer Vorschlag wäre, dass die Kommunen im Umfeld der Wachen Wohnraum anbieten beziehungsweise bei Feuerwachen-Neubauten gleich auch günstige Wohneinheiten exklusiv für Feuerwehrangehörige errichten. Das erhöht die Verfügbarkeit und macht die Feuerwehr schnell.

Gerade beim Rettungsdienst steigt der Bedarf an Fahrzeugen und damit Personal immer mehr.

Schams Kurzfristig werden wir sicher auch über einen weiteren Notarzt - zumindest zur Abdeckung von Spitzenlasten - im Kreis nachdenken müssen. Das Fahrzeug könnte man zum Beispiel auch an der visionären Rettungsdienstschule stationieren und mit einem Notarzt und Lehrrettungsassistenten besetzen, die sich außerhalb der Einsätze um das Management der Schule kümmern können.

KARL RITTER STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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