Arbeitsgruppe dokumentiert Wohnungsnot in Neuss Wohnraum für Obdachlose reservieren

Neuss · Die Arbeitsgruppe „Wohnungs- und Obdachlosigkeit“ formuliert Vorschläge, um die Unterbringung von Obdachlosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Neussern zu verbessern. Adressat: Kreisverwaltung und Bauverein.

 Im Cafe Ausblick der Caritas betreut ein Team um Werner Hein (r.) Obdachlose. Über 500 Menschen haben dort ihre Postanschrift.

Im Cafe Ausblick der Caritas betreut ein Team um Werner Hein (r.) Obdachlose. Über 500 Menschen haben dort ihre Postanschrift.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)/woi (archiv)

Der Neusser Wohnungsmarkt ist für Menschen mit niedrigen Einkommen kaum noch zugänglich,  Obdachlose sind in ihrem Bemühen, in die eigenen vier Wände zu kommen, sogar chancenlos. Zu dieser Schlussfolgerung kommt die Arbeitsgruppe „Wohnungs- und Obdachlosigkeit“, die jetzt, nach fast zwei Jahren Beschäftigung mit dem Thema, ihren Abschlussbericht vorgelegt hat.  Es ist der erste Bericht, der nach Ansicht von Karlheinz Kullick (SPD) „ein realistisches Bild von der Lage dieser Gruppe zeichnet“. Und die ist prekär.

Der Bericht bildet aber nicht nur die Gegenwart ab. Er ist auch der Einstieg in weitere Debatten – unter anderem mit dem Kreis, der mit dem grundsicherungsrelevanten Mietspiegel die Obergrenze dessen definiert, was als angemessener Wohnraum gilt. Auch die überarbeitete Fassung, die zum 1. Februar in Kraft tritt, wird der Realität in Neuss nicht gerecht,  kritisiert die Stadtverwaltung. Zur Einordnung: Von 302 Personen, die im Jahr 2016 von einer einzigen Mitarbeiterin der Arbeitslosenberatung betreut wurden, wurden 193 dort vorstellig, weil sie in einer zu teuren Wohnung leben. Das hieß für sie: Umziehen – ohne dass es am Wohnungsmarkt dafür ein Angebot gäbe – oder einen eigenen Beitrag zur Kostensenkung leisten. In vielen Fällen bedeutet eine solche Aufforderung des Jobcenters: Ein Teil der „Stütze“, die eigentlich zum Lebensunterhalt gezahlt wird, muss für die Miete ausgegeben werden. Das, so heißt es in dem Bericht, führt oft zu Verschuldung und in der Folge zum Wohnungsverlust.

Diese Diskrepanz zwischen der Obergrenze der Mieterstattung einerseits und der Lage auf dem Wohnungsmarkt andererseits darzulegen, wird ein Punkt sein, den Sozialdezernent Ralf Hörsken Ende des Monats bei einem schon verabredeten Termin mit der Kreisverwaltung vorbringen soll.

Für den 31. Januar hat sich Hörsken ferner beim Bauvereinsvorstand Frank Lubig angekündigt. Denn auf Wunsch des Rates soll er für die Stadt eine Rahmenvereinbarung aushandeln, über die die Fachstelle für Wohnen der Sozialverwaltung jährlich Zugriff auf 15 „angemessene“ Wohnungen erhält, die von der Fachstelle ad hoc belegt werden können. Zusammen mit den fünf Wohnungen, die über den Kauf von Belegungsrechten im Zugriff des Sozialamtes blieben, könnte die Fachstelle eine große Planungssicherheit erreichen. Rein  rechnerisch, so heißt es in dem Bericht, wäre sie in der Lage, jedem der derzeit in einer Notunterkunft untergebrachten Menschen in Aussicht zu stellen, innerhalb von drei Jahren in eine Wohnung vermittelt zu werden.

Von dieser Absicht zeigt sich Lubig wenig begeistert. Man weise niemanden zurück, der keine Wohnung hat, stellt er klar, aber faktisch gibt es im Bauverein-Bestand von derzeit 6800 Wohnungen keinen Leerstand. Trotzdem schloss der Bauverein im Jahr 2017 mit 34 Personen einen Mietvertrag, die  wohnungslos waren oder aus einer Notunterkunft kamen, und im Vorjahr immerhin noch 23. Und 102 erhielten eine Wohnung, obwohl sie verschuldet waren und eine negative Schufa-Auskunft hatten.

Neben der Vermittlung in Wohnungen ist es ein wesentliches Ziel der Stadt, Kündigungen, Zwangsräumungen und damit drohende Wohnungslosigkeit abzuwenden. Leider, stellt die Arbeitsgruppe fest, haben viele Mieter, sobald die Krise gemeistert ist, wenig Interesse an einer anschließenden Beratung.

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