41. Rekeliser-Verleihung in Neuss Das Rekeliser für die streitbare Waltraud

Neuss · Der 41. Rekeliserorden geht an die Politikerin und Karnevalistin Waltraud Beyen. Aus Protest legte die Ratsfrau einst dem Bürgermeister ihre Aktenordner vor die Türe. Als 1991 der Kappessonntagszug abgesagt wurde, war sie Novesia.

 Kleider in grün, rosa, blau und rot-weiß zählte die Garderobe von Waltraud Beyen als sie 1990/91 Novesia war. Einige hängen noch im Schrank.

Kleider in grün, rosa, blau und rot-weiß zählte die Garderobe von Waltraud Beyen als sie 1990/91 Novesia war. Einige hängen noch im Schrank.

Foto: Waltraud Beyen

Sie ist vermutlich die bekannteste Novesia in der Geschichte des Neusser Karnevals, obwohl – oder gerade weil – sie als Prinzessin nie bei einem Kappessonntagszug umjubelt wurde. 1991 tobte der Golfkrieg. Da war kaum einem, nicht nur mit Blick auf die Sicherheitslage, nach Straßenkarneval zumute. Auch Waltraud Beyen und ihrem Prinzen Michael Müller nicht.

Diese und weitere Geschichten werden die Runde machen, wenn am Freitag (19.15 Uhr, Vogthaus) die Ex-Novesia und Kommunalpolitikerin Waldtraud Beyen (75) dort stehen wird, wo sie eigentlich nicht gern steht: im Mittelpunkt. Sie erhält den 41. Rekeliserorden der Heimatfreunde. Die Laudatio hält ihr CDU-Parteifreund Thomas Nickel, der Preisträger von 2015.

 Neusser Prinzenpaar 1990/91: Waltraud Beyen und Michael Müller.

Neusser Prinzenpaar 1990/91: Waltraud Beyen und Michael Müller.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Was den Aachenern der Orden „Wider den tierischen Ernst“ ist, das ist den Neussern das Rekeliser. Diese mundartliche Bezeichnung billigen Neusser einem Menschen zu, der unbequeme Wahrheiten ausspricht, dabei aber nicht verletzend formuliert. Humor ohne Häme. Wer diese Kunst beherrscht, der verdient sich Anerkennung: „Du bist ein Rekeliser!“ Diese Persönlichkeiten werden seit 1978 von den Heimatfreunden mit dem Rekeliserorden ausgezeichnet. Rudolf Haeffs war der erste, die jüngsten Ritter waren Stefanie Otten, Dennis Prang und Jens Spörckmann, die „Rathauskantine“ vom Theater am Schlachthof. Waltraud Beyen ist erst die sechste Frau, die das Rekeliser erhält.

Christoph Napp-Saarbourg, der Vorsitzende der gastgebenden Heimatfreunde, kündigt einen „Rekelabend mit karnevalistischem Touch“ an: „Die Reden sollen im Mittelpunkt stehen.“ Bewusst sei das Vogthaus am Münsterplatz ausgewählt worden, weil „Kneipencharakter zum Rekeln“ passe. Mehr als hundert Gäste seien angemeldet.

Der Heimatfreunde-Vorstand habe sich für Waltraud Beyen entschieden, weil sie „sehr aktiv und eine sehr lokal bezogene Persönlichkeit ist“. Dabei nehme sie kein Blatt vor den Mund, beziehe deutlich Position, wenn es sein müsse „auch gegen Meinungen und Menschen in ihrer eigenen Partei“. So erinnert Napp-Saarbourg daran, dass die streitbare Ratsfrau einst Bürgermeister Reinartz aus Verärgerung „Akten vor die Türe zum Bürgermeister-Büro“ geworfen habe. Sie streite für die gute Sache, niemals für sich, sondern für die Menschen, vor allem für die Bürger in Derikum und Norf, wo sie politisch aktiv ist.

Seit fast 40 Jahren engagiert sich Waltraud Beyen in der CDU. Sie ist eine profilierte Sozialpolitikerin, die sich bei den Christdemokraten gut aufgehoben fühlt: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Im Klartext: Geld, das für Sozialpolitik ausgegeben wird, muss zunächst verdient werden. Darum favorisiert sie das Prinzip von Fördern und Fordern. Als alleinerziehende Mutter habe sie drei Kinder großgezogen – „ohne fremde Hilfe. Ich weiß, wovon ich spreche.“ Auch heute noch leitet die selbstständige Kauffrau ihr Reinigungsunternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten.

Mit „gemischten Gefühlen“ blickt sie der Ordensverleihung entgegen. Sie wisse gar nicht, ob sie sich freuen soll: „Ich rekele ja mehr spontan. So aus der Situation heraus.“ Aber sie habe schon so viele schöne Rekeliserabende erlebt, da werde auch der Freitag gelingen, auch wenn sie bedauere, dass das Programm inzwischen weniger karnevalistisch sei. Sie ist ein Kind des Karnevals. Sie war nicht nur Novesia, sondern sie leitet seit 33 Jahren auch eine Tanzgruppe von mehr als 20 Mädchen im Alter von 8 bis 17 Jahren: „Ich weiß gar, nicht wie viele Nationalitäten in der Gruppe vertreten sind. Das wollen die Mädchen auch gar nicht wissen. Die fühlen sich nicht als Migrantenkinder.“ Das findet Waltraud Beyen gut. Für viele muslimische Neusser ist sie erste Ansprechpartnerin und will es auch sein.

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