Neuss Neusser plant in der Türkei "Dorf für Ältere"

Neuss · Der Architekt Ingo Tintemann will mit Kollegen im türkischen Bolu ein Dorf für ältere Menschen bauen. Ein Grundstück ist bereits ausgesucht.

 Rosemarie Wichmann und Ingo Tintemann freuen sich auf "ihr" Bauprojekt. Insgesamt sollen 400 Einfamilienhäuser in der Türkei entstehen.

Rosemarie Wichmann und Ingo Tintemann freuen sich auf "ihr" Bauprojekt. Insgesamt sollen 400 Einfamilienhäuser in der Türkei entstehen.

Foto: A. Woitschützke

Eigentlich könnte er sich zurücklehnen, sein schönes Haus in Rosellerheide und seine Freizeit genießen. Doch Ingo Tintemann, pensionierter Architekt, ist der typische "Unruheständler". Als Mitglied im Senior Experten Service (SES), einer Stiftung der Deutschen Wirtschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH, ist er einer von vielen ehrenamtlichen Senior Experten, die ihr Wissen und Können weitergeben.

Jetzt plant der Fachmann für energieeffizientes Bauen ein ganz großes Projekt: In der türkischen Stadt Bolu, eng befreundet mit Neuss, wird er gemeinsam mit Architekten und Ingenieuren ein Älterendorf errichten. "Es wird kein Altenheim sein", erklärt der 71-Jährige, "sondern ein Dorf mit rund 400 Einfamilienhäusern, Verwaltungs- und Therapiegebäuden."

In einigen Jahren sollen dort ältere Türken aus Bolu, ehemalige zurückkehrende Gastarbeiter, aber auch deutsche Ältere gemeinsam leben können. "Daher sind an dem Projekt auch unterschiedlichste Gruppen und Institutionen beteiligt", erklärt Tintemann. "Beispielsweise die Stadt Neuss, das DRK und die Awo von deutscher Seite und die Stadt Bolu sowie der Türkische Halbmond auf türkischer Seite."

Als Neuss vor knapp sechs Jahren auf die Suche nach einer türkischen Partnerstadt ging, kam Bolu in die engere Wahl, ist seitdem eng befreundet mit Neuss und an Austausch interessiert wie keine andere Partnerstadt. Handballer, Feuerwehrleute, Köche, Pfadfinder — die unterschiedlichsten Institutionen und Vereine aus Neuss tauschen sich mittlerweile mit Bolu aus.

Im ersten Bauabschnitt sollen rund 200 Häuser gebaut werden, allesamt hocheffiziente Passivhäuser. Und dafür ist Tintemann Spezialist. Bereits seit über 35 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit den Themen Solar und Bauen. "Auslöser war damals der Ölschock", erinnert sich Tintemann. "Seitdem habe ich mich immer mehr mit energieeffizientem Bauen, Wärmedämmung, Windkraft und Photovoltaik befasst", erzählt er lebhaft. Lärmschutz, Solartechnik, barrierefreies Wohnen — Ingo Tintemann weiß mit seiner Begeisterung anzustecken, wenn er von seinem "Herzensprojekt" in der Türkei erzählt.

Erst vor wenigen Wochen war er gemeinsam mit einer Delegation in Bolu. Drei Grundstücke wurden den Fachleuten vorgestellt. Doch nur eins fand Zustimmung. "Das erste Grundstück ging gar nicht, ein Älterendorf zwischen zwei Autobahnen zu errichten, ist unmöglich", sagt Tintemann. Das zweite Grundstück lehnte er auch ab: "Viel zu weit draußen. Da drohte eine Ghettoisierung."

Der dritte Platz aber sei ideal. Nahe zur Stadt, sonnenreich und durch einen Hang geschützt, "ideal für solares Bauen", meint Tintemann, der auch bei den Neusser Grünen aktiv ist. Sobald die Finanzierung steht, wird der gebürtige Ostpreuße sein "Traumobjekt" angehen. Gemeinsam mit Sohn Nils, der auch Architekt ist, wird er die ersten Entwürfe konzipieren. Tochter Inken ist auch dabei, zuständig für die städtebauliche Planung. Tintemann: "Wir machen aber nur die Entwürfe, wir wollen ja nicht den Architekten und Ingenieuren in Bolu die Arbeit wegnehmen."

(NGZ/ila)
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