Neuss Am Telefon erst einmal genau zuhören

Neuss · Das Kinder- und Jugendtelefon ist auch zwischen den Feiertagen besetzt, um für die da zu sein, die Hilfe benötigen.

 Ehrenamtlerin Simone Dutine koordiniert die Arbeit des Kinder- und Jugendtelefons in Neuss.

Ehrenamtlerin Simone Dutine koordiniert die Arbeit des Kinder- und Jugendtelefons in Neuss.

Foto: l. berns

Weihnachtszeit, das ist für die allermeisten Kinder eine schöne Zeit; eine Zeit, die mit der Familie und vielen Geschenken verbracht wird. Weil es aber auch Kinder und Jugendliche gibt, denen genau das fehlt, gibt es die "Nummer gegen Kummer", die auch von Neusser Ehrenamtlern betreut wird. An den Feiertagen ist das Kinder- und Jugendtelefon zwar nicht besetzt, "aber zwischen den Tagen sind wir für Sorgen und Nöte wieder da", sagt Simone Dutine, die beim Neusser Kinderschutzbund die Arbeit des Kinder- und Jugendtelefons koordiniert.

Knapp 8 000 Anrufe erreichen die Neusser Ehrenamtler jedes Jahr, rund 900 000 Telefonate werden bundesweit gezählt. Nicht jeder Anruf ist allerdings ernst gemeint: "Wir haben viele Test- und Scherzanrufe auf dieser kostenlosen Nummer", sagt Simone Dutine. Rund ein Viertel der Telefonate sind richtige Beratungsgespräche — in Neuss macht das pro Jahr rund 2000 Kinder und Jugendliche, denen anonym am Telefon geholfen wird.

21 Ehrenamtler hat das Kinder- und Jugendtelefon des Neusser Kinderschutzbunds, alle werden vor ihrem Einsatz aufwendig geschult, damit sie sowohl auf die scherzhaft gemeinten, als auch mit den ernsthaften Fragen der jungen Anrufer richtig reagieren können. Oberstes Gebot sei es, einfach einmal zuzuhören, sagt Simone Dutine. Die 45-Jährige hat selbst zwei Kinder, sie weiß, dass es gerade Pubertierenden nicht immer leicht fällt, mit den Eltern zu sprechen. Etwa über Liebe und Schwärmerei oder über die Veränderung des Körpers im Zuge des Erwachsenwerdens. "Liebe und Sexualität sind die Hauptthemen unserer Anrufer", berichtet Dutine. Das spiegelt sich auch in der Statistik des Neusser Kinderschutzbunds wider: Der Altersdurchschnitt der Anrufer liegt bei 14 Jahren.

Simone Dutine engagiert sich seit vier Jahren bei der "Nummer gegen Kummer". Viele Geschichten hat sie dabei gehört, vieles hat sie so berührt, dass sie es nicht vergessen kann. Etwa eines ihrer ersten Gespräche, als ein zehnjähriger Junge am anderen Ende der Leitung war, der nach Hilfe bei den Hausaufgaben fragte. "Im Laufe des Anrufs stellte sich heraus, dass der Kleine ganz allein mit seinem zweijährigen Bruder zu Hause war, um den er sich kümmern musste", erzählt Dutine, der die Arbeit am Sorgentelefon oftmals bedrückende Einblicke in das Familienleben von Menschen gewährt, die am Rande der Gesellschaft leben.

Dann sei es schwer, dass die Anrufe anonym sind, "da will ich gleich raus und helfen", sagt die Neusserin, die sich auch als Katechetin engagiert.

Mit solchen Gefühlen umgehen zu können, auch das ist ein Teil ihres Ehrenamts, zu dem deswegen auch eine regelmäßige Supervision gehört, bei der solche Telefon-Erlebnisse aufgearbeitet werden. Regelmäßig treffen sich die 21 Ehrenamtler, um über Fälle zu sprechen, sich auszutauschen, und auch um neue Methoden der Gesprächsführung zu lernen. Denn das Ziel der Berater ist nicht, einfache Antworten für die jungen Anrufer parat zu haben. Es geht vielmehr darum, die Kinder im Gespräch zu einer Lösung hinzuführen. "Wenn zum Beispiel Jugendliche anrufen, die Liebeskummer haben, ist für sie gerade eine Welt zusammengebrochen und alles erscheint in einem schlechten Licht", erläutert Simone Dutine.

Es sei dann die Aufgabe der Berater, sie nicht mit schnöden Sprüchen aufzumuntern, sondern einen Weg aus diesen Gefühlen heraus zu weisen. Etwa indem bei dem Gespräch deutlich wird, dass es auch abseits der großen Liebe viele liebenswerte Menschen im Umfeld des Anrufers gibt, und dass nur der Blickwinkel verändert werden muss. "Manchmal merkt man richtig, wie es Klick macht bei den Jugendlichen", sagt Simone Dutine, die aus solchen Gesprächen viel Kraft und Motivation zieht.

Die ehrenamtliche Arbeit beim Kinder- und Jugendtelefon hat die studierte Ökotrophologin sensibler gemacht für Probleme aus ihrem Umfeld, und auch dankbar dafür, wie sorgenfrei ihre eigenen Kinder aufwachsen. "Das Ehrenamt hat mir Stärken aufgezeigt, die mir nicht bewusst waren", sagt die 45-Jährige. Für das neue Jahr hat sie sich deswegen vorgenommen, beruflich neue Wege zu gehen: "Mein Ziel ist die Jugendarbeit", sagt Simone Dutine.

(NGZ/ila)
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