Im Zeughaus Neuss Literatur und Musik in einer faszinierenden Einheit

Neuss · Schauspirlerin Martina Gedeck und Harfenist Xavier de Maistre gestalteten einen Rezitations- und Musikabend im Zeughaus.

 Martina Gedeck rezitierte Gedichte von Lasker-Schüler.

Martina Gedeck rezitierte Gedichte von Lasker-Schüler.

Foto: Karel Kuehne

„Es gibt viele Ungerechtigkeiten in der Welt“, schrieb der 1960 verstorbene Schriftsteller und Philosoph Albert Camus im Vorwort zu seinem ersten, im Alter von 22 Jahren verfassten Band „Licht und Schatten“. Über die Ungerechtigkeit des Klimas werde aber viel zu wenig gesprochen. Deutschland befand er dunstig, ohne Charme. Das Licht des Südens hatte es ihm angetan: das elementare Licht Griechenlands und seiner Heimat Algeriens, das sanfte Licht Italiens und Frankreichs.

„Licht und Schatten“ nannte Martina Gedeck ihren Abend im lange ausverkauften Zeughauskonzert, in dem sie berühmte Texte mit Harfenmusik, gespielt vom Star-Harfenisten Xavier de Maistre, zu einer literarisch-musikalischen Einheit verband. Dabei nimmt im künstlerischen Schaffen der profilierten Schauspielerin die gemeinsame Arbeit mit Musikern einen besonderen Platz ein.

 Harfenist Xavier de Maistre hat Gedeck begleitet.

Harfenist Xavier de Maistre hat Gedeck begleitet.

Foto: Beatrice Waulin

Xavier de Maistre war nicht nur wegen seines enorm variantenreichen und makellosen Harfenspiels erste Wahl, sondern seine Musik ergänzte kongenial die rezitierten Texte. Wenn Albert Camus das Rauschen des Meeres in einem maurischen Café am Rande einer arabischen Stadt hört, illustriert de Maistre diese Erzählung mit der Serenade „Granada“ von Isaac Albéniz. Dieser Zauber machte die Zuhörer zu Zeitgenossen schöner Träume.

Oscar Wilde’s Erzählung „Die Nachtigall und die Rose“ erfährt in Franz Liszts Klavierstück auf der Harfe eine farbige Ergänzung. Das kurze Gedicht „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff wird erst durch Claude Debussys berühmtestes Klavierstück „Clair de Lune“ zum schimmernden Strahl. Dabei ist der Schluss auf der Harfe viel wirkungsvoller, als er mit dem Klavier ausführbar wäre.

Der absolute Höhepunkt ist zugleich das Finale: Die französische Harfenistin und Komponistin Henriette Renié schreibt eine opulente „Légende“ zu dem Gedicht „Die Elfen“ von Charles Leconte de Lisle. Weil die Elfen französisch sprechen, „will ich Ihnen erzählen, was passiert“, wandte sich Martina Gedeck an das Publikum. Weil Xavier de Maistre natürlich französisch versteht, wurde die Musik zur Rezitation ein suggestives Erlebnis.

Martina Gedeck rezitierte alle Texte klar und einfühlsam, stützte ihren Vortrag mit verhaltener, immer passender Gestik und Mimik. So gab es viel mehr Licht als Schatten. Nur in der „Duineser Elegie“ fragt Rainer Maria Rilke: „Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?“ Diese Einsamkeit tilgte Xavier de Maistre mit seinem überragenden Harfenspiel. Das war das erste Mal, dass in einem Zeughauskonzert Literatur und Musik zu einer faszinierenden Einheit verschmolzen. Bleibt zu hoffen: nicht das letzte Mal.

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