Standortanalyse für Nettetal Standort ist „zufriedenstellend“

NETTETAL · Die Industrie- und Handelskammer hat 500 Unternehmen 55 Fragen zum Standort Nettetal vorgelegt. Mehr als 100 Firmen mit rund 1600 Beschäftigen haben geantwortet. Sie sind nicht in allen Bereichen zufrieden.

 Präsentation der Daten (v.l.): Ernst Lehnen, Claudia Willers, Moderatorin Beate Kowollik, Manfred Thelen, Jürgen Steinmetz, Christian Wagner.

Präsentation der Daten (v.l.): Ernst Lehnen, Claudia Willers, Moderatorin Beate Kowollik, Manfred Thelen, Jürgen Steinmetz, Christian Wagner.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Die Anbindung an das überörtliche Straßen- und Autobahnnetz ist in den Augen von Nettetaler Unternehmen prima, mit der Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren können sie gerade noch leben – zwischen diesen Extremen schwanken die Beurteilungen, die Firmen für eine Analyse von „Wirtschaftsstruktur und Standortqualität“ Nettetals der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein abgegeben haben. Als „zufriedenstellend“ schätzen Firmen die Stadt ein, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz bei der Präsentation im Leuther Möbelhaus Thelen vor rund 50 Zuhörern aus Wirtschaft und Politik. Dessen Geschäftsführer Manfred Thelen ist mit dem Standort sogar sehr zufrieden; die Ursprünge der einst kleinen Schreinerei liegen 290 Jahre zurück: „Wir werden weiter expandieren.“

Positiv: Verkehr Die gute Verkehrsanbindung durch die Autobahnen 61 und 40 sowie die B 221 und 509 samt ihres guten Ausbauzustandes sei eine „herausragende Stärke“ der Stadt. Künftig müsse aber auch die von den Unternehmen derzeit als nicht so wichtige, weil kaum befriedigende Schienenanbindung durch den zweigleisigen Ausbau der Strecke zwischen Kaldenkirchen und Dülken verbessert werden, mahnt die IHK. Die Beseitigung dieses „Flaschenhalses“ führe zu positiven Effekten in Nettetal und stärke den Güterbahnhof Kaldenkirchen. Lob haben die Unternehmer auch für die kurze Distanz zu den Flughäfen Düsseldorf und Weeze.

Kritik an IT-Struktur Weniger zufrieden sind die Unternehmen mit dem Ausbau des Breitbandnetzes, der mittlerweile zum wichtigsten harten Standortfaktor geworden ist. Das nun kann Bürgermeister Christian Wagner (CDU) nicht verstehen, denn ein Unternehmen, das Glasfaseranschlüsse liefern wolle, erhalte in den Gewerbegebieten lauter Absagen. „Wir kommen mit dem jetzigen Anschluss aus“, würden sie hören. In Nettetal ist die Unternehmermeinung zwar etwas besser als in anderen Kommunen ringsum, doch ist auch hier die Zufriedenheit in den vergangenen neun Jahren weiter gesunken.

Zu lange Planungszeiten Zwar bewerten Firmen in Nettetal die Höhe des Gewerbesteuersatzes und der Grundstücksteuer besser als die Kollegen in der Nachbarschaft, doch haben sie mehr auszusetzen an einer nicht reibungslosen Kooperation der öffentlichen Ämter, an den Reaktionszeiten der Behörden auf Anfragen und vor allem an der Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren. Auch mit den Kosten für Wasser, Kanal und Müll ist man nicht ganz so zufrieden. Allerdings sieht man in Nettetal die „Höhe öffentlicher Gebühren“ in ihrer Gesamtheit etwas besser als die ringsum.

Zu wenig Fachkräfte Der Mangel an Fachkräften wird in Nettetal deutlich stärker beklagt als in anderen Gemeinden im IHK-Bezirk. Dabei geht es vor allem um gewerbliche Arbeitnehmer. „Wir haben ein Problem mit der Dualen Ausbildung“, gesteht Steinmetz ein und kündigt an, die IHK werde das Gespräch mit dem Kreis suchen, der Träger der Berufsschulen sei. Während das Unternehmerurteil über die Lernqualität dort mit den Vergleichskommunen übereinstimmt, fällt es über die allgemeinbildenden Schulen schlechter aus. Mit dem Weiterbildungsangebot sind sie sehr zufrieden. Während er Ingenieure immer finde, habe er Schwierigkeiten bei der Gewinnung gewerblicher Mitarbeiter, berichtet Gerd Hexels (Technische Textilien Hexonia). Ralf Stobbe, sein Nachbar im Lobbericher Gewerbegebiet Heidenfeld (Papier Suthor), rät dazu, alle Social-Media-Kanäle einzusetzen. So habe er drei Auspendler aus Düsseldorf wieder nach Nettetal geholt.

Handel und Logistik Mit 28,5 Prozent der Beschäftigten ist der Bereich Handel sehr stark vertreten, er liegt deutlich über dem Durchschnitt in Land und Kreis Viersen. Die günstige Lage für das Transportgewerbe unterstreicht Ernst Lehnen, der in vierter Generation die Tele-Spedition in Lobberich und Tegelen führt: „Gleich neben dem Logistik-Hot-Spot Venlo ist der Umschlagplatz ideal.“ Wegen der unterschiedlichen Sozialgesetzgebung hat er manche Fahrer mit zwei Arbeitsverträgen. Kunden aus Venlo und Tegelen sind auch für den Einzelhandel attraktiv, zeigt Claudia Willers (Werbering Kaldenkirchen aktiv). „Sie kaufen in den inhabergeführten Fachgeschäften wie auch bei den Discountern – und frequentieren die Gaststätten: „In Kaldenkirchen braucht niemand zu verhungern.“

Industrie hinkt nach Nach der Schließung der Textilunternehmen Niedieck und Longlife (Lobberich), des Stahlverarbeiters Rötzel (Breyell) und des Automobilzulieferers Pierburg (Lobberich) ist der industrielle Sektor in Nettetal stark geschrumpft. Rund 25 Prozent der Arbeitsplätze gingen verloren. Demnächst wird es wieder aufwärts gehen, meint Bürgermeister Wagner, wenn der Paniermehlhersteller Brata in Breyell baut und 100 Jobs schaffen wird. Bemerkenswert ist, dass heute wieder zwei Unternehmen die Lobbericher Textiltradition mit der Produktion von technischen Textilien wahren. Sie haben im NRW-Vergleich ein „überdurchschnittliches Gewicht“.

Agrobusiness Während in NRW nur noch 0,5 Prozent und im Kreis Viersen 2,2 Prozent der Menschen in der Land- und Forstwirtschaft tätig sind, sind es in Nettetal 4,1 Prozent. Das ist auf den wachsenden Garten- und Gemüseanbau zurückzuführen, der im Gegensatz zur Landwirtschaft mehr Arbeitskräfte erfordert. Auch das Ernährungsgewerbe ist mit rund 200 Beschäftigten ein mitarbeiterstarker Bereich.

Nettetal-West vermarkten Ihre Forderung nach neuen Gewerbegebieten, braucht die IHK angesichts des noch leeren Industrie-und Gewerbegebietes „Nettetal-West“ (früher Venete) nicht zu erheben. Sie begrüßt den Neustart der Vermarktung durch die Stadt. Dazu merkt der Spediteur Ernst Lehnen, der vor fünf Jahren dort nicht willkommen war, an, dass die geplante Müllumladeanlage ein Standortrisiko sei und das Image der Stadt beschädige. Dieses Risiko schätzt der Bürgermeister nicht so gravierend ein und verwies darauf, dass man noch im Gespräch sei, die Müllumladestelle Süchteln weiter zu nutzen.

Stadt-Image verbessern „Nettetal muss sehen, wie es Image und Bekanntheitsgrad verbessern kann“, sagt Steinmetz. Denn die Firmen haben das Erscheinungsbild der Stadt eher „weniger befriedigend“ eingestuft. Das überrascht. Nettetal hat eine überdurchschnittlich hohe Zentralitätskennziffer, wird also von Kunden aus dem Umland besucht. Das wird zu Überlegungen führen. Für Claudia Willers ist schon klar: „Da müssen wir noch mehr strampeln.“

Die komplette Analyse ist online nachzulesen unter www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/19078

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