Moers In Worten, die jeder verstehen kann
Moers · Die "einfache Sprache" baut Hürden zwischen Menschen ab. Schauspieler Matthias Heße las nun aus einer "einfachen" Version des Buches "Das Rosie-Projekt" vor. Das Schlosstheater, die Bücherei, die Caritas und die VHS luden dazu ein.
Das war mal eine etwas andere Lesung, die da am Mittwochabend mit dem Schauspieler Matthias Heße in der Zentrale der Moerser Stadtbibliothek über die Bühne ging. Der Text hörte sich etwas anders an und auch das Publikum war etwas anders als sonst. Die Caritas Wohn- und Werkstätten Niederrhein (CWWN) boten nämlich in Kooperation mit der Stadtbibliothek, der Volkshochschule und dem Schlosstheater Moers den Bestseller "Das Rosie-Projekt" als eine Lesung in sogenannter "Einfacher Sprache" an.
Rund 100 Zuhörer hatten sich bereits im Vorfeld zur Lesung angemeldet, gekommen waren dann aber gut und gerne um die 130. Diese Resonanz, mehr noch aber was die Vortragsweise Heßes und die Art der Reaktionen der Besucher anbelangte, freute die Veranstalter ungemein. Bernhard Wippermann, Sprecher der CWWN-Geschäftsführung, war von dem dreijährigen Gesamtprojekt, das mit der Lesung nun seinen Abschluss fand, derart begeistert, dass die CWWN in Fortführung der Maßnahme "Implementierung von Unterstützter Kommunikation" eine halbe Stelle zur Nachhaltigkeit eingerichtet hat. Und auch für Bibliotheksmitarbeiterin Ursula Friebel war die Lesung in "Einfacher Sprache" eine Bereicherung vom Veranstaltungsformat her und "bestimmt nicht die letzte hier gewesen".
Das Konzept der "Einfachen Sprache" zielt darauf ab, sprachliche Hürden für diejenigen abzubauen, die Alltags- oder auch Fachsprachen nicht oder nur schwer verstehen. Seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland 2009 hat diese Sprachform an Bedeutung gewonnen, insbesondere hinsichtlich der Bekämpfung des funktionalen Analphabetismus'. Sie fokussiert Menschen mit kognitiven Behinderungen oder Lernschwierigkeiten und konzentriert sich auf Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen. "Einfache Sprache" will niedrigschwellige Angebote schaffen und den Zugang zur Schriftsprache und den Spaß an Büchern erleichtern.
Mit Schlosstheater-Schauspieler Heße hatten sich die Veranstalter einen ungemein sympathisch und empathisch zudem höchst kreativ agierenden Sprecher und Leser für das Projekt engagiert. Dieser hatte den höchst erfolgreichen "Rosie"-Stoff des australischen Autors Graeme Simsion - der Bestseller-Roman von 2013 ist mittlerweile in rund 40 Sprachen übersetzt und wird gerade für 2019 verfilmt - in der ins Deutsche übersetzten Fassung von Isabel Wirtz in "Einfacher Sprache" auf eine rund 60-minütige Vortragslänge eingestrichen. So lauschten die Besucher seiner wohlklingenden Stimme und verfolgten seine Handlungen bei der teils spielerisch-temperamentvollen Umsetzung dieses wunderbaren Textes aufmerksam und konzentriert bis spontan und kommentarreich.
Und was war der Inhalt der Lesung? Der autistische Wissenschaftler Don ist auf der Suche nach der idealen Frau. Aber eine nach der anderen fällt bei ihm durch, so hoch sind seine Ansprüche. Doch eine Frau, nämlich Rosie, sprengt sein Schema völlig und lässt ihn anders über die Dinge nachdenken. "Wenn du ein bisschen normaler wärst, würden wir gut zusammenpassen", sagt sie zu ihm. "Aber mein Gefühl sagt etwas anderes, als mein Verstand", erwidert der pragmatische Don verunsichert. Ohne recht zu verstehen, wie ihm geschieht, lernt er nun staunend die Welt jenseits beweisbarer Fakten kennen und stellt fest: Gefühle haben ihre eigene Logik. So verschafft er sich und durch die Ich-Erzähler-Perspektive des Textes auch dem Leser beziehungsweise Zuhörer Einblicke der anderen Normalen in die Welt der ganz Normalen. Als Moral vom "Happy End" bleibt: So ist das Leben. Verwirrend. Aber auch sehr schön.
