Neukirchen-Vluyn Baronin hat ein Herz für Kinder und Musik

Neukirchen-Vluyn · Jeanette Freifrau von der Leyen ist Herrin über Schloss Bloemersheim – ihr "Baby" ist das Kinder- und Jugendmusikfestival.

Jeanette Freifrau von der Leyen ist Herrin über Schloss Bloemersheim — ihr "Baby" ist das Kinder- und Jugendmusikfestival.

Würde jeder diesen Satz so gebrauchen — ehrlich und echt und von innen heraus — hätte er nicht so ein Imageproblem. Der Satz lautet "Das fasziniert mich". Die Frau, die ihn sagt, ist Jeanette Freifrau von der Leyen, Herrin auf Schloss Bloemersheim.

Von der Leyen sagt oft, dass sie fasziniert ist, und wer ihr zuhört, glaubt den Satz, der sonst oft zur Phrase verkommt und Interesse vortäuschen soll. Von der Leyen interessiert sich für die Menschen, mit denen sie zu tun hat — und lässt sich faszinieren von ihren Ideen und Wegen. So einfach. "Wenn man nicht offen ist, nimmt man die Dinge nicht auf", sagt sie dazu nur.

Von der Leyen ist in Hannover aufgewachsen, kam des Jobs wegen ins Rheinland. Beim Westdeutschen Rundfunk in Köln machte sie eine Ausbildung zur Filmcutterin. Am liebsten hat sie Dokumentationen geschnitten, vielleicht noch Fußballspiele. Spielfilme fand sie unspannend. "Da ist die Schnittstelle vorgegeben", sagt sie. Lieber wollte sie kreativ sein, rumtüfteln, mit den Redakteuren sprechen und herausfinden, wie die sich den fertigen Film vorstellen. Von der Leyen, die zu Kölner Zeiten noch ihren Mädchennamen Stahlberg trug, hört auch heute noch genau hin.

Das kann sie gut: jemandes Idee sehen und erkennen. Was sie noch gelernt hat in dieser Zeit: Durchbeißen ist wichtig. Nicht jedes Projekt, an dem sie in dieser Zeit arbeitet, ist gleich interessant, nicht jeder Mensch, mit dem sie zusammenkommt, einfach. "Aber jedes Projekt ist irgendwann abgeschlossen", sagt sie.

Durchbeißen, das ist eine Lektion, die von der Leyen heute "ihren" Kindern mit auf den Weg geben will — auch rund 30 Jahre, eine Hochzeit mit Freiherr Friedrich von der Leyen und vier Töchter später.

"Ihre Kinder" sind in diesem Fall nicht die eigenen vier Töchter, sondern die Kinder, die sie bei der Arbeit für das Kinder- und Jugendmusikfestival Kloster Kamp trifft. 2006 erarbeitete sie mit Alexander Hülshoff und seiner Frau Katharina Apel-Hülshoff die erste Veranstaltung für Kinder im Rahmen des Kammermusikfests. Das Ehepaar hatte zunächst nur die Idee, ein Musikprojekt mit Kindern zu machen, von der Leyen war fortan die ordnende Hand. Sie ist es bis heute.

180 Kinder nahmen im ersten Jahr teil, bauten mit dem Musikpädagogen Uli Bär ein Cello, ließen sich von ihm bei zwei Vorstellungen im Kloster Kamp und in Moers mitreißen. Von der Leyen war damals fasziniert davon, dass die Kinder so auf die Musik reagieren. Sie wollte, dass es weitergeht, beantragte Landes-Fördergelder für das Projekt, kämpfte sich durch viele Anträge.

"Ich kann sehr intensiv sein, wenn ich von etwas begeistert bin", sagt von der Leyen und lächelt. Sie schaffte es. Das Land förderte das Projekt, das ab 2007 Kinder- und Jugendmusikfestival hieß und das sich bis heute an Kinder richtet, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. "Es ist für die, die vom Erziehungsverein betreut werden, die aus sozialen Brennpunkten kommen, die niemals in eine Musikschule gehen würden", sagt die Baronin. Und dass sie fasziniert ist von dem sozialpädagogischen Aspekt des Projekts: Die Kinder sollen lernen, füreinander einzustehen, andere zu respektieren und selbst Respekt zu bekommen, über Musik sollen sie durchhalten lernen. Da ist es wieder: das Fasziniertsein.

Das Kinder- und Jugendmusikfestival steht heute auf drei Säulen: dem Projekt "Musical@School", dem Familienkonzert-Projekt und "Ultra-Schall". Für das Musicalprojekt kommen unterschiedliche Dozenten von der Hamburger Stage-School, Schule für Schauspiel und Musical, nach Neukirchen-Vluyn und unterrichten Kinder eine Woche lang in Schauspiel, Gesang und Tanz. Am Ende dieser einen Woche steht die Aufführung des Musicals vor Omas und Opas und Eltern und Tanten.

"Der Eintritt ist immer frei, damit möglichst viele Menschen kommen", sagt von der Leyen. Der Applaus am Schluss dieser intensiven Woche ist ganz wichtig für die Schüler. Vor allem für die, die die Dozenten erst "knacken" müssen, die Pubertierenden, die sich zu cool für alles sind, die, denen die Nähe, die bei dieser Arbeit entsteht, zu viel ist. "Die zum Singen und Tanzen zu bekommen ist echt Steine klopfen", sagt die gebürtige Hannoveranerin. Geklappt hat es bislang immer. Im kommenden Jahr findet "Musical @ School" an der Anne-Frank-Gesamtschule Rheinkamp statt.

Die Förderung vom Land Nordrhein-Westfalen gab es bis zum Jahr 2011, seit 2012 muss das Festival über Sponsoren und Spenden finanziert werden. Von der Leyen geht Klinken putzen bei Vereinen, der Volksbank, den Stadtwerken oder der Stahlberg Stiftung aus Hamburg, die auch die Dozenten für das Musical-Projekt stellt — "die Dozenten sind der größte Batzen Geld", sagt von der Leyen.

Bei diesem Klinkenputzen hat von der Leyen auch noch etwas über sich gelernt: "Ich hätte nie gedacht, dass ich Geld sammeln kann — aber wenn es nicht für die eigene Tasche ist, funktioniert das gut", sagt sie. Vor drei Jahren gründete sie zur Finanzierung zudem den Förderverein Grancino für "Freunde der Kammermusik und Jugendmusikerziehung am Niederrhein".

Beteiligen kann sich, wer das Projekt unterstützt. Und wer von der Leyen zuhört, wenn sie Geschichten von Kindern aus den Projekten erzählt, will sofort nach dem Überweisungsträger fragen. So berichtet sie von einem Jungen mit ADS, bei dem durch das Projekt "Ultra-Schall" eine gigantische Musikalität festgestellt wurde und von einer Autistin, die bei der Schluss-Aufführung alleine auf der Bühne ihren Text sprach. "Dem Schulleiter und mir sind die Tränen runtergelaufen", sagt von der Leyen.

Ihr Mann, Freiherr Friedrich von der Leyen, nennt seine Frau gern eine "hauptamtliche Ehrenamtliche" wegen ihres großen Engagements für das Kinderkammermusikfestival. Sie sagt, dass es ihr Spaß macht, Kindern zu helfen, ihre Stärken und Leidenschaft zu entdecken und sie auf den Weg zu bringen. Faszinierend nennt sie das.

(RP/rl)
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