Mönchengladbach anderswo Neuwerk — eine schmucke 150-Seelen-Sackgasse im Harz

Mönchengladbach · Das Dörfchen Neuwerk im Mittelgebirge hat keine Durchfahrtsstraße und keine Läden, dafür aber drei Vereine, die alle die gleichen Mitglieder haben.

Mönchengladbach anderswo - An diesen Straßen taucht der Stadtname auf
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Foto: bärbel dülpers

Zwei Eigenarten des kleinen Dörfchens im Harz in der Nähe von Elbingerode beschreiben wunderbar, was Neuwerk auszeichnet: "Einige unserer Dorfbewohner mussten hier früher zur Kur, um sich zu erholen — und sind bis heute dageblieben", erzählt Ralf Stammer, der seit 27 Jahren in Neuwerk wohnt. Dies liegt zum einen an der ruhigen Tal-Lage mit richtig guter Luft zum Erholen. Und zum anderen liegt es daran, dass man auch gar nicht mehr wegkommt, wenn man einmal in Neuwerk eingefahren ist. Der Namensvetter des Mönchengladbacher Stadtteils hat nämlich keine Durchfahrtsstraße, sondern ist eine schmucke 150-Seelen-Sackgasse.

Wenn es die 150 Menschen in diesem Dorf nicht gäbe, wäre es ganz schön einsam. Einen Einkaufsladen gibt es nicht (Stammer: "Meine Frau kauft immer ein, wenn sie von der Arbeit aus Elbingerode zurückkommt"), eine Schule gibt es nicht und eine Kneipe gibt es auch nicht — mehr (Stammer: "Der Wirt ist ein fauler Hund gewesen; als mal eine Reisegruppe zu ihm geschickt wurde, hat er sie wieder zurückgeschickt — er könne nicht für alle kochen, hat er gesagt; vor zwei Jahren hat er zugemacht").

Aber es gibt eben die 150 Menschen in diesem Dorf. Und die sind stolze Neuwerker — mit einem Zusammenhalt, der wesentlich größere Orte beziehungsweise Sackgassen dieser Erde locker in den Schatten stellt. Neuwerk hat einen ambitionierten Spielmannszug, eine freiwillige Feuerwehr und eine Tanzgruppe. Alle drei Vereine haben etwas gemeinsam — ihre Mitglieder. "Och, eigentlich sind alle Neuwerker in allen drei Vereinen; in der Besetzung gibt es da keinen Unterschied", sagt Stammer. Man kennt sich und feiert gerne zusammen. Das größte Fest ist der "Grasedanz" am dritten Wochenende im Juli. Früher feierte man an diesen Tagen die Ernte, noch heute wird bei Musik und Tanz eine Grasekönigin bestimmt — und es gilt Frauenrecht.

Das florierende Vereinsleben prägt heute auch das schillerndste Gebäude des Dorfes: Der Spielmannszug nutzt die Räumlichkeiten der umfunktionierten Kirche, die früher im Obergeschoss eines Hauses war und von außen gar nicht aussah wie eine Kirche. Und bei dem markanten Turm mit uraltem Uhrwerk, der von außen tatsächlich wie eine Kirche aussieht, handelt es sich um eine Schule, pardon: um eine ehemalige Schule natürlich.

"Hier kann man sich schon gut entspannen", lässt Stammer die vergangenen Jahrzehnte Neuwerks Revue passieren. Wenn das nicht so wäre, wäre er auch weggezogen, sagt er. Aber er ist geblieben — auch wegen der schönen Ecken im Dorf, die immer wieder Wanderer nach Neuwerk und seine Handvoll Gastzimmer lockt: der Stammberg, von dem aus man einen tollen Blick auf Neuwerk hat; der "Blaue See", ein Grundwassersee, den Stammer als "Karibik Neuwerks" bezeichnet; und natürlich die vielen Reize des Harzes wie der Brocken oder die Tropfsteinhöhlen, die sich in unmittelbarer Nähe befinden — vorausgesetzt, man hat in der Sackgasse Neuwerk erfolgreich gewendet.

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