Mönchengladbach Rechtsmedizinerin wird erneut befragt

Mönchengladbach · Im Mordprozess um den getöteten Säugling Ben ging es noch einmal um die Frage, woran der Junge gestorben ist.

 Der Angeklagte (l.), ein Justizbeamter und die Verteidiger Henning Hußmann und Ingo Herbort im Gerichtssaal.

Der Angeklagte (l.), ein Justizbeamter und die Verteidiger Henning Hußmann und Ingo Herbort im Gerichtssaal.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Der Verhandlungstag im Mordprozess vor dem Landgericht um den getöteten Säugling Ben beginnt mit einer Überraschung: Der des Mordes angeklagte Vater, Dominik H. (30) erklärte, sich zum Todesmorgen äußern zu wollen: Er habe die Nacht bei Ben auf der Couch verbracht, ihm morgens ein Fläschchen gemacht, das dieser auch leergetrunken habe. Als Charlene D. (30), die mitangeklagte Mutter, aufgestanden sei, hätten beide sich noch für eine Stunde hingelegt, dann sei er zum Einkaufen gefahren. Als er um kurz vor halb neun wieder gekommen sei, habe Ben etwa 30 Sekunden lang nach Luft gerungen. Daraufhin habe er beschlossen, in die Kinderklinik zu fahren, und habe D. aufgefordert, sich anzuziehen. Dann sei er zu seiner Mutter gegangen, um ihr Frühstück zu machen. Wieder in der eigenen Wohnung angekommen, sei Charlene noch nicht fertig gewesen, habe nur erklärt, Ben benötige eine neue Windel. Auf dem Weg zum Wickeln habe Ben etwas gespuckt, im Bad habe er ihn gesäubert, dann umgedreht. „Dann hingen Arme und Beine des Babys herunter, seine Augen rollten, es war, als ob ein Schalter umgedreht worden sei“, so der Angeklagte. Daraufhin habe er den Notruf getätigt.

Während er auf die Rettung wartete, habe er festgestellt, dass Ben nicht mehr atme, und ihm eine Herzdruck-Massage verabreicht. Daraufhin hält die Kammer ihm den zweiten von ihm getätigten Notruf vor, bei dem er mehrfach nach der Atmung des Babys gefragt wird, die er immer bestätigte. H. erklärt, daran habe er in diesem Moment nicht gedacht, es sei eine Ausnahmesituation gewesen. „Aber darum ging es doch“, so der Vorsitzende Richter Lothar Beckers. Die Atmung sei bei beiden Notrufen zentrales Thema gewesen, und der Feuerwehrmann habe H. viele Denkanstöße gegeben.

Auch in der weiteren Befragung kann H. oftmals keine schlüssige Begründung für Handlungen abgeben, etwa zu der polizeilichen Befragung, die er erneut als „für ihn sehr belastend“ bezeichnet, da er beleidigt und angeschrien worden wäre. Nach mehreren Nächten ohne Schlaf habe er alles unterschrieben, was ihm vorgelegt wurde. Eine frühere Aussage nimmt H. zurück: Seine Beschuldigung, Charlene D. habe ihn gebeten, die Schuld auf sich zu nehmen, müsse er korrigieren: „Ich habe dies aus Hass gesagt. Ich kann nicht verstehen, warum sie nicht zugibt, dass der Kleine an dem Morgen noch gelebt hat.“

Der Wahlverteidiger stellte den Beweisantrag, ein weiteres Gutachten zur Todesursache Bens einzuholen. Die Rechtsmedizinerin habe diese mit einem „Blutverlust durch einen Dünndarm-Riss“ angegeben. Ein Spezialist für Magen-Darm-Krankheiten solle erklären, dass dieser auch durch Überblähung möglich gewesen wäre. Dass das Baby mehrfach einen aufgeblähten Bauch gehabt habe, hätten beide Angeklagte erklärt. Während der Staatsanwalt keinerlei Zweifel an der fachlichen Kompetenz der Gutachterin hatte, ließ die Kammer aus „Gründen äußerster Vorsicht“ den Antrag zu, lud jedoch anstelle des gewünschten Experten kurzfristig nochmal die Gerichtsmedizinerin, um vertiefende Fragen zur Todesursache zu stellen.

Sie untermauerte ihr erstes Gutachten und erklärte, es habe keinerlei Hinweise auf eine Durchblutungsstörung bei Ben gegeben, ebenso wenig auf eine chronische oder akute Entzündung des Darms. Jedoch gebe es durch die fleckige Einblutung des Darms konkrete Hinweise auf stumpfe Gewalteinwirkung. Heute werden die beiden Urteile erwartet.

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