Kolumne Denkanstoß Was wir ernten

Mönchengladbach · Das Erntedankfest sollte Anlass sein, im übertragenen Sinne über die Auswahl des Saatguts und das, was man sich davon erhofft, nachzudenken, schreibt unser Autor.

 „Was der Mensch sät, das wird er ernten“, hieß es bereits vom Apostel Paulus (Gal 6, 7).

„Was der Mensch sät, das wird er ernten“, hieß es bereits vom Apostel Paulus (Gal 6, 7).

Foto: dpa/Martin Gerten

In unseren Kirchengemeinden wird am kommenden Sonntag evangelischer- wie katholischerseits Erntedank gefeiert. In vielen Kirchen stehen dann wieder Körbe mit allerlei Feldfrüchten, Brot und Ähren als Hinweis auf eine gute Ernte. Der Erntekorb ist auf den ersten Blick ein Bild für all das, was es zu ernten gibt. Näher betrachtet zielt dieses Bild auf eine menschliche Grundhaltung, die so gar nicht spektakulär daher kommt und für eine reißerische Schlagzeile kaum geeignet ist. Und doch hat die Haltung der Dankbarkeit ein oftmals unterschätztes Potenzial. Aber eben nur dann, wenn Dankbarkeit gerechtfertigt ist und sich auch rechtfertigen lässt.

Der Erntekorb als Bild verstanden ist im realen wie im übertragenen Sinne eine Herausforderung. Stimmt das Bild noch – für mich und für meine Zeitgenossen? Finde ich in dem Korb noch etwas von dem, das mich persönlich wirklich dankbar sein lässt? Was gehört für mich – auch im übertragenen Sinne – alles in den Korb?

Denn nicht nur die Erde bringt Früchte hervor. Meine Lebens- und Arbeitsverhältnisses, mein gesellschaftliches, politisches, soziales, kulturelles oder menschliches Engagement, meine Beziehungen in Familie und Nachbarschaft und sogar meine Missgeschicke, Unglücke und Krankheiten können Früchte tragen. Jede und jeder kann und darf sich an Erntedank fragen wie es um die Früchte seines Lebens steht und ob genau diese Früchte ihn zufrieden und dankbar sein lassen.

Vielleicht ergibt sich im Blick auf den Erntekorb ja auch die Einsicht, dass es einen Fruchtwechsel braucht. Erntekörbe kehren gottseidank jährlich wieder und bieten so die einmalige Chance, zukünftig anderes Saatgut zu probieren. „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten“ (2 Kor 9, 6) mahnt der Apostel Paulus in einem seiner Briefe. Und er ergänzt in einem anderen Brief: „Was der Mensch sät, das wird er ernten“ (Gal 6, 7).

Die Bibel bedenkt in vielen unterschiedlichen Kontexten den Zusammenhang von Saat und Ernte. Die biblischen Geschichten ringen dabei immer um Wege, die ins Verderben oder ins Leben führen können. Wer aufmerksam liest, der spürt immer die Einladung in Richtung einer echten Lebensfülle.

Was haben wir nicht alles gesät in letzter Zeit und was finden wir nicht jetzt alles in unseren Erntekörben: Im Politischen ein noch nicht fertiges Ergebnis der Bundestagswahl mit unterschiedlichen Möglichkeiten, im Gesellschaftlichen eine wachsende Unzufriedenheit und Gewaltbereitschaft sowie die zunehmende Armut vieler Menschen. Und im Kirchlichen viel Streit um konkret benennbare Reformen, die dann doch kaum angegangen werden und unter frommem Wortnebel zu ersticken drohen. Die derzeitigen Erntekörbe stellen die dringliche Frage: Was werden wir einsäen, im Blick auf kommende Erntekörbe?

Die Erntekörbe an Erntedank sind eine Einladung, zu fragen und zu danken. Die Frage nach dem zukünftigen Saatgut und die Möglichkeit, dankbar auf die Welt schauen zu können, hängen zusammen. Vielleicht sogar so eng, dass eine eingeübte Grundhaltung der Dankbarkeit die richtige Auswahl des kommenden Saatgutes erleichtern kann.

Die Auswahl des Saatgutes darf nicht allein denen überlassen werden, die politisch oder kirchlich ganz oben stehen. Fruchtbar sein zu können, ist das Recht und die Möglichkeit jedes Menschen, ob klein oder groß, ob arm oder reich. Jede und jeder ist an Erntedank eingeladen, das Danken für sich zu entdecken. Versuchen wir doch einmal, das Wort „Danke“ häufiger auszusprechen. Das dauert nur eine Sekunde und kann viel Veränderungspotential freisetzen. Jeder Tag bietet dazu 86.400 Gelegenheiten.

Peter Blättler ist Pfarrer von Sankt Vitus und Leiter der Gemeinschaft der Grmeinden (GdG) Mönchengladbach.

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