Mönchengladbach "Macht Euch unbeliebt, seid rebellisch!"

Mönchengladbach · Mit einem leidenschaftlichen Appell fesselte die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee ihre Zuhörer in der KFH.

Mönchengladbach: "Macht Euch unbeliebt, seid rebellisch!"
Foto: Ilgner

So unendlich weit weg und doch so nah. Vieles, was die afrikanische Frauenrechtlerin Leymah Gbowee gestern Abend in der Kaiser-Friedrich-Halle aus ihrem Kampf um Frieden und Freiheit berichtete, wirkte wie ein Alptraum. "Unsere gemeinsame, reflektierende Reise über den Zustand der Welt wird keine leichte Kost sein", hatte die Friedensnobelpreisträgerin zum Auftakt angekündigt.

 Oben: Die Liberianerin bei ihrem Vortrag gestern Abend in der ausverkauften Kaiser-Friedrich-Halle. Unten: Einige berühmte Vorgänger Gbowees in der Reihe "Nobelpreisträger in Mönchengladbach", von links nach rechts.: Michail Gorbatschow, Kofi Annan und der Dalai Lama.

Oben: Die Liberianerin bei ihrem Vortrag gestern Abend in der ausverkauften Kaiser-Friedrich-Halle. Unten: Einige berühmte Vorgänger Gbowees in der Reihe "Nobelpreisträger in Mönchengladbach", von links nach rechts.: Michail Gorbatschow, Kofi Annan und der Dalai Lama.

Foto: Detlef Ilgner, Ap, Isabella Raupold, Guido Frebel

Wohl wahr. Bürgerkriege, in denen Kinder systematisch verstümmelt, Frauen vergewaltigt, Männer abgeschlachtet werden. Für Gbowee war all das über Jahre erlebter Alltag. Bis aus dem "dummen Huhn" — so hatte ihr Mann sie verächtlich genannt — aus einer verschüchterten und ohnmächtigen Frau eine kraftvolle Anführerin wurde, die die Kraft der Verzweifelten in einer friedlichen Armee bündelte und so einen Bürgerkrieg beendete. Die Lebensgeschichte Gbowees macht Mut, auch jenen, die nicht in einer auch nur halbwegs vergleichbaren Extremsituation leben.

 Oben: Die Liberianerin bei ihrem Vortrag gestern Abend in der ausverkauften Kaiser-Friedrich-Halle. Unten: Einige berühmte Vorgänger Gbowees in der Reihe "Nobelpreisträger in Mönchengladbach", von links nach rechts.: Michail Gorbatschow, Kofi Annan und der Dalai Lama.

Oben: Die Liberianerin bei ihrem Vortrag gestern Abend in der ausverkauften Kaiser-Friedrich-Halle. Unten: Einige berühmte Vorgänger Gbowees in der Reihe "Nobelpreisträger in Mönchengladbach", von links nach rechts.: Michail Gorbatschow, Kofi Annan und der Dalai Lama.

Foto: Detlef Ilgner, Ap, Isabella Raupold, Guido Frebel

Die Botschaft der 40-Jährigen, die sechs Kinder zwischen drei und 19 Jahren hat: Macht Euch unbeliebt, wenn es nicht nötig ist. Traut Euch, rebellisch zu sein. "Wenn Ihr tief in Euch spürt, dass Ihr Recht habt, dann bleibt auch dabei." Es fällt ihr schwer, hinter dem Rednerpult stehen zu bleiben. Immer wieder geht sie ganz nah an den Bühnenrand, will nah bei ihren Zuhörern sein. Sie gesteht, dass sie Angst gehabt hat, das Wort "Mönchengladbach" auszusprechen. Drum macht sie es gleich im zweiten Satz. Die Dinge, die getan werden müssen, erledigt man besser früher als später.

Sie wundert sich, dass so viele Zuhörer gekommen sind, "und all das nur, um einem afrikanischen Mädchen zuzuhören". Das ist zwar ein bisschen kokett. Aber man nimmt der gänzlich uneitlen 40-Jährigen gerne ab, dass sie selbst immer wieder darüber staunen muss, was der Friedensnobelpreis, den sie vergangenes Jahr in Oslo bekam, ausgelöst hat.

Sie trägt kurz und schnörkellos vor. Alice Schwarzer gelingt es im anschließenden Gespräch, ihr Facetten und Details zu entlocken. Da erzählt sie eindrucksvoll, warum sie ihren ersten Mann, der sie über Jahre geschlagen hatte, ausgerechnet in dem Moment verließ, als er sie öffentlich beleidigte. "Von außen betrachtet mag das weniger schlimm gewesen sein. Aber es hat "Klick" in meinem Kopf gemacht. Nicht mit mir." Sie erzählt, wie sie viel später in der Universität, als sie schon vier Kinder hatte, glaubte, ihr Professor habe ihre Arbeit versehentlich zu gut bewertet — weil sie sich immer noch für dumm hielt. Berichtet anschaulich von der Kraft der Gemeinschaft, als sich die Frauen über Wochen in sengender Hitze als Protest gegen den Krieg vor den Präsidenten-Palast setzen. Spricht auch über Zweifel, ob ihr Weg der richtige ist. Die beiden Frauen finden im Gespräch mühelos eine Ebene. Gbowee sorgt für Heiterkeit mit ihrem Urteil über Angela Merkel: "Toll, wie sie den Jungs in Europa den Kopf wäscht." Und Schwarzer stellt fest: "Wenn alle dummen Hühner so enden wie Sie, bin ich mehr als zufrieden.

(RP/rl)
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