Mönchengladbach Künstler deutet Obamas Innenleben

Mönchengladbach · Der Gladbacher Künstler Ullrich Carsjens hat sich durch ein Foto zu einem Gemälde inspirieren lassen. Sein Bild "Vom Lauf der Gedanken" interpretiert eine Aufnahme aus dem Weißen Haus. Zu sehen sind Mitglieder der US-Administration, die die Tötung Osama bin Ladens beobachten.

Dass Ullrich Carsjens aus der Hansestadt Hamburg stammt, ist dem seit 1972 im Rheinland, seit 1984 in Gladbach lebenden Kaufmann noch anzuhören. "Das prägt", sagt er und lächelt fein: "Ich stamme aus einer Familie, die über Generationen zur See gefahren ist." Doch der 69-Jährige hat sich in der Lack- und Farben-Chemie selbstständig gemacht. In seiner Freizeit beschäftigt Carsjens sich leidenschaftlich mit der Malerei. "Schon seit meinem 15. Lebensjahr", erzählt er.

Davon wissen kunstinteressierte Bürger bereits dank zweier Ausstellungen in der Citykirche. "Inner Views" hieß die erste, die 2009 zu sehen war. "Genau das ist meine Blickrichtung", bestätigt Ullrich Carsjens, der seine selbst aus Pigmenten angerührten Acryl-Farben in großen Formaten auf weißen, hochwertigen Filz aufträgt. "Mich interessiert nicht das Äußerliche, ich möchte wissen, was drinnen in den Menschen vorgeht."

Foto aus US-Lagezentrum

So nimmt es nicht mehr wunder, wenn Carsjens die Gesichter von Menschen stark verfremdet — zu beunruhigenden, verstörenden Karikaturen. Seine jüngste Arbeit bringt dieses Prinzip der Seelenschau auf den politischen Punkt: "Als ich in einer Tageszeitung am 4. Mai 2011 jenes Titelfoto erblickte, das den amerikanischen Präsidenten Obama im Kreis von Ministern, Militärs und Mitarbeitern zeigt, die gebannt auf einen Monitor schauen, kam mir die Idee, dieses Foto für ein Bild zu verwenden", sagt Carsjens. Die amerikanischen Stäbe verfolgten da den tödlichen Angriff der Navy Seals in Pakistan auf den meistgesuchten Terroristen der Welt, Osama bin Laden.

"Vom Lauf der Gedanken" nennt Ullrich Carsjens sein Riesen-Gemälde in den Maßen 3,95 x 1,77 Meter. Die Mitglieder der US-Administration sind gebannt von den Eindrücken, die sie aus Pakistan live zu sehen bekommen. Angespannt, mit leiser Besorgnis oder distanziert betrachtend; Außenministerin Hillary Clinton hält betroffen die rechte Hand vor den Mund.

Carsjens hat die zwölf Gestalten des Fotos in seinem Bild so arrangiert, wie sie in der fotografisch dokumentierten Originalsituation stehen und sitzen. Doch die Gesichter sind nicht wiederzuerkennen. Da schauen grobe, verzerrte Fratzen den Betrachter an. "Die Gemeinsamkeit der Empfindungen der Beteiligten zerfällt zu einem Veitstanz der Betroffenheit", beschreibt Carsjens seinen Eindruck. Der Schrecken mutiere zu einem Seelenzustand, in dem "die lang und kühl geplante Vernichtung" bin Ladens diese Intuition bestätige: ,Auch ich gehöre nun in die große Liste von unbeteiligten Tätern.'" So jedenfalls deutet der Künstler die Mimik der Abgebildeten. Jedes Gesicht drückt in seinem großformatigen Gemälde auf Filzgrund etwas anderes aus: Wut, Verblüffung, Entrücktheit, Gleichgültigkeit, Neugierde. — Ein Werk, das provoziert, indem es den Vergleich zwischen politischer Realität und Kunst zieht.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort