Mönchengladbach Als in der "Budike" noch die Post abging

Mönchengladbach · Museum Schloss Rheydt zeigt ab Samstag eine Ausstellung zur Gladbacher Musikszene der 1950er- und 60er-Jahre.

 Ausstellungskuratorin Charlotte Lang präsentiert ein Waschbrett in der Ausstellung. Mit dem bereitliegenden Handschuh lässt sich der charakteristische Dixie- oder Skiffle-Sound des Percussioninstruments herstellen.

Ausstellungskuratorin Charlotte Lang präsentiert ein Waschbrett in der Ausstellung. Mit dem bereitliegenden Handschuh lässt sich der charakteristische Dixie- oder Skiffle-Sound des Percussioninstruments herstellen.

Foto: Detlef Ilgner

Als die Kulturwissenschaftlerin Charlotte Lang (29) an die Aufgabe ging, für das Museum Schloss Rheydt eine Ausstellung über die Musikszene der Stadt in den 50er- und 60er-Jahren zu arrangieren. konnte sie sich etwa in dem Zweibänder "Geboren 1950" von Bernhardt Büdts schlau machen. Aber dessen Sammlung von Erinnerungen, Fotos und Zeitungsberichten jener Jahre, als die Jazz- und in ihrem Gefolge die Beatszene in der Vitusstadt boomte, blieb nicht die einzige Quelle für das Projekt "Musik Szene Kneipe". Denn für eine Ausstellung braucht es nicht nur Fotos und Texte, sondern auch handfeste Objekte. Und so können Besucher der Vorburg des Rheydter Schlosses ab Samstagmittag sich auch ein Bild davon machen, mit welch bescheidenen Mitteln die Szene damals auskommen musste:

Da steht ein Echolette-Verstärker für E-Gitarre mit Box, über die seinerzeit auch noch das Mikro des Bandsängers lief. Eine Höfner-Gitarre und ein Violinbass des nämlichen Herstellers machen klar, dass die Jungs, die damals begeistert die Hits von Spencer Davis, Hollies, Beatles oder Lords nachzuspielen versuchten, sich meist keine teure Fender-Gitarre oder ein Wurlitzer-E-Piano leisten konnten. Anrührend der Blick auf ein altes Telefunken-Tonbandgerät mit Röhrenradio. "Auch über solche Billigstanlagen haben Musiker damals gespielt", weiß Dr. Klaus Möhlenkamp, stellvertretender Museumsleiter.

"Es war eine spannende Zeit", urteilt die Kuratorin Charlotte Lang, "als sich in Gladbach und Rheydt immer mehr Jazz-, Skiffle- und Beatbands gründeten." Der steigende Bedarf an Live-Musik spiegelte sich in der Kneipenszene wider. Einer der damals beliebten "Musenschuppen" war die Budike am Alten Markt, geführt von Alex Semjevski. Auch bürgerliche Gaststätten wie das Haus Pauen erkannten die Zeichen der Zeit und öffneten ihre Räume ab und an für Live-Konzerte. Aber erst als das Clublokal der "Monkstown Jazz Society", das "Bügeleisen" an der Waldhausener Straße, seine Pforten geöffnet hatte, gab es Szenekneipen, die sich regelmäßig Jazz- oder Beatbands ins Haus holten. Furore machten damals zum Beispiel The Shantanes mit ihrem Kultsong "La Bagarre".

Auch Schulen, voran das Math.-Nat. Gymnasium, sowie Jugendheime förderten die Beatwelle, in deren Kielwasser zahlreiche Schülerbands mitschwammen. Auch politische Parteien wurden aufmerksam. Ein Plakat in der Ausstellung weist aus, dass eine Beat-Meisterschaft von der Jungen Union ausgelobt wurde.

Die Kabinett-Ausstellung streift auch die Folkszene, erinnert an Kontakte zum Festival auf Burg Waldeck und an Gastspiele von Reinhard Mey, Dieter Süverkrüp oder Franz Josef Degenhardt. Wer mag, darf sich selbst musikalisch versuchen: Ein Teekisten-Bass, Marke Eigenbau, ein Skiffle-Waschbrett mit Nagelhandschuh und Teile einer "Schießbude" stehen bereit.

Eröffnung morgen 11.45 Uhr, im Schloss Rheydt. Die Ausstellung ist bis 8. September zu sehen.

(RP)
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