Mönchengladbach Merz: Wir brauchen die USA mehr denn je

Mönchengladbach · Der frühere CDU-Vordenker sprach im Palace St. George über die Finanzkrise, das Freihandelsabkommen mit den USA und die neue Weltordnung. Für eine war in seiner prägnanten Analyse mitten im Wahlkampf kein Platz: Angela Merkel.

 Beim Unternehmertag 2013 gestern im Palace St. Georg sprach Friedrich Merz (l.) auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Günter Krings (Mitte). Rechts US-Generalkonsul Stephen A. Hubler.

Beim Unternehmertag 2013 gestern im Palace St. Georg sprach Friedrich Merz (l.) auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Günter Krings (Mitte). Rechts US-Generalkonsul Stephen A. Hubler.

Foto: Isabella Raupold

Er sieht noch genau so aus wie 2009, als er von der politischen Bildfläche verschwand: juvenil, groß, schlaksig, manchmal fast ein wenig ungelenk in den Bewegungen. Er redet immer noch genau wie damals: analytisch, präzise, schnörkellos und mit leicht sauerländischem Idiom. Und ihn beschäftigen immer noch die selben Themen: die Ökonomie, im Kleinen, im Großen und im ganz Großen, das transatlantische Bündnis — und die Kanzlerin. Die erwähnt er in seinem 45-minütigen Vortrag kein einziges Mal — was eine echte Leistung ist, bei einer Veranstaltung der CDU und der Mittelstandsvereinigung mitten im Wahlkampf, bei der es um Deutschlands Rolle in Europa und der Welt geht. Einmal schrammt er nur haarscharf vorbei und spricht von "der politischen Führung in Deutschland".

Merz, der auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Dr. Günter Krings als Vorsitzender des Vereins Atlantikbrücke vorträgt, ist also ganz der Alte. Drum lohnt es sich zuzuhören. Wir seien Zeitzeugen einer fundamentalen Verschiebung des ökonomischen Kräfteverhältnisses, stünden vor der vielleicht größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. "Als Obama 2009 den chinesischen Premierminister Wen Jiabao besuchte, stand der größte Schuldner der Welt vor seinem größten Gläubiger. Und genau so verhielten sie sich auch", so Merz. Zwar dürfe man die berechtigte Frage stellen, warum Obama in seiner ersten Amtszeit nicht nach Deutschland kam, sagte Merz im Beisein des US-Generalkonsuls Stephen A. Hubler. Doch dass sich Obama als erster pazifischer Präsident verstehe, sei mehr als verständlich. Schließlich gelte die alte Weltordnung nicht mehr.

Längst mokierten sich die Chinesen über degenerierende Gesellschaften im Westen, denen es an Kraft und Geschwindigkeit fehle, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Umso wichtiger sei das transatlantische Freihandelsabkommen, über das EU und USA verhandeln. Deutschland müsse in Europa aufgrund seiner Größe und Wirtschaftskraft voranschreiten. Doch die EU als Ganzes werde auf Dauer in der Welt nur im Zusammenspiel mit den Amerikanern wahrnehmbar bleiben. Das Miteinander, das mit der Nato begonnen wurde, müsse nun wirtschaftlich fortgesetzt werden.

Kann man denn miteinander Abkommen historischer Dimension beschließen, wenn man einander bespitzelt? "Lassen Sie uns die Kirche im Dorf lassen", sagt Merz. Nachrichtendienste sammelten seit Jahrhunderten Daten. "Allerdings haben es die Amerikaner möglicherweise etwas übertrieben." Sollte sich herausstellen, dass die USA befreundete Regierungen ausspioniert habe, gehe das zu weit. "Dann würde keine Erklärung ausreichen. Dann müsste die amerikanische Regierung handeln."

Der letzte Rat, den Merz den rund 150 Zuhörern gibt, unter denen viele Unternehmer sind: "Überlassen Sie das nicht alles der Politik. Definieren Sie Ihre Zukunft selbst." Kurz darauf steigt der Ex-Politiker ins Auto und fährt zurück nach Düsseldorf in die internationale Anwaltskanzlei Mayer Brown, deren Partner er ist.

(RP)
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