Meerbusch historisch Als im Karneval die Gewalt eskalierte

Büderich · Das Fastnachtstreiben des Jahres 1713 machte in Büderich durch gleich zwei Angriffe von sich reden. In beiden Fällen hatten die Beteiligten stark dem Alkohol zugesprochen.

 Das Luftbild, vermutlich aus den 1950er/60er Jahren, zeigt den Schirmerhof unten, wo einige untergestellte Fahrzeuge zu sehen sind.

Das Luftbild, vermutlich aus den 1950er/60er Jahren, zeigt den Schirmerhof unten, wo einige untergestellte Fahrzeuge zu sehen sind.

Foto: Stadtarchiv/Repro: Kunze / Stadtarchiv

Am 16. März des Jahres 1713 untersuchte das Gericht zu Linn, das immerhin unter dem malerischen Titel „Freyes Schwerdtgericht Ambts und Statt Lynn“ firmierte, gleich zwei Messerstechereien. In eine waren sogar Knechte des Klosters Meer verwickelt waren.

Dazu muss man wissen, dass der Karneval nicht nur heute eine Gelegenheit bietet, einmal aus dem Alltag auszubrechen. Das war auch in früheren Zeiten schon so und zudem dringend nötig. Das Landleben war geprägt von harter Arbeit und besonders die unterbäuerlichen Schichten, etwa die Knechte und Mägde, hatten nicht oft die Gelegenheit, einmal weitgehend unbestraft über die Stränge zu schlagen – manchmal aber offenbar auch etwas zu sehr.

Der erste Zwischenfall ereignete sich jedenfalls auf dem Brühl, bei dem Wirt Johan Viehoff, wo es in diesen Jahren auch sonst schon einmal so hoch herging, dass das Linner Gericht davon Kenntnis nehmen musste. Konkret waren an dem Vorfall der Johan Severin Detherich, ein „Bawmeister“, „Undermeister“ Henrich, der „Underendt“ Thoniß, der Arbeitsknecht Joanes, der Schäfer Hermann der Esser und der Arbeitsknecht Engelen beteiligt.

In der Runde wurde kräftig gezecht und schließlich scheint ein Streit entstanden zu sein, der schon zu Beginn dazu führte, dass Detherich dem Engelen mit seinem Messer in die Wade gestochen hat. Detherich gab schließlich an, er sei „gantz besoffen geweßen“, so dass er nicht mehr wisse, was er genau getan habe. Allerdings hatte er die Tat nicht abgestritten und „das Factum freywillig gestanden“. Damit war für das Linner Gericht die Arbeit zunächst getan und man forderte eine landesherrliche Verordnung ein, wie mit dem Übeltäter nun weiter zu verfahren sei.

Weniger glimpflich verlief die zweite Schlägerei, die sich Aschermittwoch ebenfalls beim Brühler Wirt Johan Viehoff abspielte. Wilhelm Nöthen aus dem Dorf Büderich hatte dort schon kräftig getrunken und machte sich dann auf zum Brühl, wo er wohl weiter feiern wollte. Dabei stieß er auf Peter Blawen und dessen Freund Bistenbröcker, die bei Viehoff lediglich ein Viertel Bier in einer Kanne für den Hausgebrauch holen wollten.

Nöthen rief nun die beiden an, wer sie denn seien. Als Bistenbröcker mit „ich“ antwortete und zugleich gegenüber Bistenbröcker die an sich sinnvolle Bemerkung tat, dass Nöthen besoffen sei und sie lieber gehen sollten, hatte dieser das gehört und eine „Maultasche“ angedroht. Die Drohung wurde jedenfalls umgehend in die Tat umgesetzt und Blawen wehrte den Schlag ab. Nun schritten auch Blawens anwesende Schwäger Peter und Adam Hack ein und wollten die Streithähne trennen.

Nöthen setzte jedoch immer wieder an und schließlich biss Nöthen dem Adam Hack so herzhaft in den Daumen, dass dieser um Hilfe schrie. Bevor aber jemand eingreifen konnte, bekam er das Messer, das er an der Seite trug, zu fassen und stach es dem Nöthen durch das Halstuch zwei Finger breit in den Hals.

In beiden Fällen haben aber offenbar alle Beteiligten überlebt. Was von höherer Instanz beschlossen wurde, ist nicht überliefert, aber auch aus Linn war nichts mehr zu hören. Vermutlich haben sich die Kontrahenten jeweils gütlich geeinigt. Während im ersten Fall die Verletzung wohl nicht so schlimm gewesen sein dürfte, war es im zweiten Fall der offensichtliche Provokateur, der in Notwehr den größeren Schaden davongetragen hatte.

Gesteigertes Interesse an einer weiteren Verfolgung hatten aber wohl alle Beteiligten nicht, denn zu den bis dahin angefallenen Gerichtskosten hätte schnell noch eine Geldstrafe wegen Störung der öffentlichen Ruhe kommen können, die gerade die Knechte als abhängig Beschäftigte empfindlich getroffen hätte, da Geld ein rares Gut war.

Diese Bevölkerungsgruppe erhielt den größten Teil ihres ohnehin kargen Lohnes nämlich als Unterkunft und Verpflegung sowie für ihre „Dienstkleidung und Schuhe“. Übrig blieb ihnen nur das, was schon damals „Taschengeld“ genannt wurde und eben das war, was man tatsächlich zum Ausgeben in der Tasche hatte.

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