Leverkusen Liebesschlösser unter der juristischen Lupe

Leverkusen · Der Jurist Jörg-Michael Günther hat sich mit strafrechtlichen Fragen zu den Liebesschlössern beschäftigt.

 "Wie ist das mit dem Eigentum an den Schlössern?" Das fragte sich Jörg-Michael Günther und wälzte dazu Paragrafen. An der Pastoratsbrücke in Leichlingen hängen (und rosten) inzwischen ungefähr 80 Liebesschlösser.

"Wie ist das mit dem Eigentum an den Schlössern?" Das fragte sich Jörg-Michael Günther und wälzte dazu Paragrafen. An der Pastoratsbrücke in Leichlingen hängen (und rosten) inzwischen ungefähr 80 Liebesschlösser.

Foto: Uwe Miserius

Im vorigen Jahr landeten sie auf dem Richterpult am Kölner Amtsgericht. Aufgehängt von Liebenden an der Hohenzollernbrücke, wurden sie zum Ziel von Beschaffungskriminalität. Auf der Suche nach etwas, das er und ein Komplize zu Geld machen können, stieß ein offenbar drogenabhängiger 41-Jähriger auf die Liebesschlösser unweit des Hauptbahnhofs.

Also rückte das Duo mit einem Bolzenschneider und dem Plan an, das Metall bei einem Schrotthändler zu versilbern. Neben Sachbeschädigung (sie hatten Streben des Gitterzauns der Brücke zerschnitten) wurde den beiden Diebstahl vorgeworfen. Aber ist es das wirklich?

Die Frage ging Jörg-Michael Günther nicht aus dem Kopf. "Wie ist das mit dem Eigentum an den Schlössern? Sind sie herrenlos, dann können sie nicht gestohlen werden", führt der promovierte Jurist aus Leichlingen aus. Hauptberuflich im NRW-Umweltministerium beschäftigt, tauchte er in Bundesgesetzbuch und Strafgesetzbuch ein, wälzte Paragrafen. Nicht um seines eigenen Seelenheils willen. Vielmehr sah Günther, der auch juristische Referendare ausbildet und an der Kölner Kinder-Universität lehrte, darin ein gutes Thema, um Jura-Studenten für ungewöhnliche Sachverhalte zu sensibilisieren.

Hatte er in dieser Funktion schon "Max und Moritz" oder "Hänsel und Gretel" auf die Anklagebank gezerrt, widmete er sich nun den Schlössern. "Wem dies als etwas unromantischer Umgang mit einem romantischen Thema erscheint, dem sei gesagt, dass genau dies in der juristischen Ausbildung und von Justicia erwartet wird", umschreibt es der 53-Jährige. Zwar darf man sich das Anbringen eines Liebesschlosses als weitgehend unkomplizierten Akt vorstellen: ein mit Namen oder Initialen des Paares und womöglich mit Herzen verziertes Schloss wird möglichst mittig über dem Fluss an der Brücke angebracht, der Schlüssel ins Wasser geworfen und im Anschluss auf die ewige Liebe vertraut.

Indes stellte Günther bald fest, wie komplex sich das rosarot anmutende Thema bei Betrachtung durchs juristische Brennglas darstellt. Geben die Liebenden ihr Eigentum am Schloss auf, gehören die Schlösser an der Hohenzollernbrücke also der Bahn? Liegt eine strafbare Veränderung des Erscheinungsbildes oder ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr vor?

Macht sich das Paar durch das Wegwerfen des Schlüssels der Gewässerverunreinigung strafbar? Könnten die Liebenden zur Kasse gebeten werden, wenn der Brücken-Eigentümer die Schlösser beseitigen lässt? Die Antworten auf diese vier Fragen, so hat es Günther den Gesetzestexten entnommen, lauten: nein, nein, nein, theoretisch schon. Denn obwohl "Dave und Kate", "Anja und Thomas", "Hecki und Babsi" oder wie die Abertausenden Paare, die dem wohl aus Italien stammenden Brauch frönten, den Schlüssel Rhein und Wupper anvertraut haben: Sie bleiben Eigentümer des Schlosses.

"Das ist wie mit einem Auto, das herrenlos herumsteht", sagt Günther. Zudem würden die Schlösser weder die Brauchbarkeit der Brücken einschränken, noch deren Aussehen verschandeln. Eher im Gegenteil: Die Hohenzollernbrücke hat sich binnen fünf Jahren vom stählernen Koloss zur Touristenattraktion gemausert. Die durch den Schlüssel in den Fluss geworfenen Schadstoffe sind zu gering für eine Strafverfolgung. Und: Zwar müssten die Liebenden für eine Beseitigung aufkommen — aber viele Ermittler würden wohl unverhältnismäßig lange fahnden, bis sie "Hecki und Babsi" habhaft werden.

Auf knapp vier DIN A 4-Seiten hat Günther seine Erkenntnisse zusammengetragen und in der "Zeitschrift für die staatliche und kommunale Verwaltung" veröffentlicht. Ihm selbst sei dabei nie der Gedanke gekommen, sein Glück durch ein Schloss zu verewigen. "Bei so einer Menge an Schössern", sagt er mit Verweis auf die Hohenzollernbrücke, "hat das nichts Individuelles, nichts Kreatives mehr."

Die Richter in Köln teilten im Übrigen in etwa seine Rechtsauffassung. Der 41-Jährige, der 53 Schlösser mit einem Gesamtgewicht von rund 15 Kilogramm für knapp 50 Euro verkaufen wollte, musste drei Monate ins Gefängnis.

(RP)
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