Leverkusen 15.000 Strüßjer vom Rächer der Entfloßten

Leverkusen · Wenig Politisches, dafür fast so viele Blümchen wie beim Kölner Rosenmontagszug gab's gestern beim Zoch in Opladen. Der hatte noch mehr Bestaunenswertes zu bieten: ein Zugpferdchen, Erbsensuppe vom Wagen und einen Bezirksvorsteher, der 49.783 Zuschauer selbst gezählt haben will.

 Jeck kostümiert: Die Mitglieder der KG Närrischer Familienverband ergänzten das Opladener Zugmotto "Dat jitt et nur bei uns" um "... nit mie". Sie vermissen zum Beispiel Finanzamt und Bürgerbüro.

Jeck kostümiert: Die Mitglieder der KG Närrischer Familienverband ergänzten das Opladener Zugmotto "Dat jitt et nur bei uns" um "... nit mie". Sie vermissen zum Beispiel Finanzamt und Bürgerbüro.

Foto: uwe miserius

Als die Prinzengarde Opladen sich an der oberen Kölner Straße in Bewegung setzte, war die Erbsensuppe auf dem Wagen fertig, die Altstadtfunken hatten wahrscheinlich fast den Markt erreicht und die 49.783 Jecken am Wegesrand waren trotz "Sunnesching" schon leicht durchgefroren. Da kam das Erbsensüppchen, was der Prinzengardist am Kochtopf einigen Zuggästen herunterreichte, gerade recht zum Aufwärmen.

Für solch (Über-)Flüssiges hatte Prinzessin Lea (6) keine Zeit. Die Mini-Kamellejägerin war das erste Kind, das die rund 2000 Zugteilnehmer mit Süßem glücklich machen konnten. Und sie taten's. Lea Rasche stand mit der "Famillich" an der Ecke Volhardtstraße zwischen Prinzen- und FLK-Wagen und den übrigen Zugteilnehmern. Kurz zuvor war Jeanette Gruszien (14) mit dem kleinsten der Pferde von der Altstadtfunken-Reiterstaffel um die Ecke gebogen. Donald, das 16-jährige Shetland-Pony, "findet Musik toll", hatte Jeanette betont. Auch Kamelle möge er — zwischen den Zähnen, von Popcorn bis Strüßjer.

Rainer Schiefer ist ein Zählgenie

Noch ein paar Minuten davor war Zugchef Manfred Luxem die 20 Wagen, die Fußgruppen und die teils aus Potsdam und Jübek (kurz vor Dänemark) angereisten Musikzüge abgegangen. Unterwegs hatte er Altstadtfunk und Bezirksvorsteher Rainer Schiefer getroffen. "Ich werde heute jeden Zuschauer zählen", kündigte der vollmundig an. "Wir brauchen eine konkrete Zahl." Kurz nach dem Zug hatte Schiefer die parat: 49 783 Jecken wollte er gezählt haben. Und er nannte noch eine Ziffer: Georg Greyer, Standartenträger der Reiterstaffel, feierte im Rosenmontagszug auf dem Pferderücken seinen 77. Geburtstag.

Manfred Luxem feierte leise auch etwas: "Ich glaub, das ist mein 20. Jahr als Zugchef." Wäre Luxem eine Frau, er hätte von Bernt Clever vom Klüngels-Klaan sicher ein Strüßjer bekommen. Die Truppe führte 15 000 Stück mit. "In Köln gibt es im gesamten Zug nur 30 000. Wir sind nach dem Prinzen wohl der bestbestückteste Wagen in Opladen", betonte Clever.

Und einer der wenigen politischen Wagen. "Robin Wupp, der Rächer der Entfloßten" lautete das Motto. "Das ist unser Protest gegen das Verbot der Wupper-Floßfahrt. Die haben wir so gerne in Opladen gehabt", erläuterte Heide Zensen. "Ein brennendes Thema, dass diese Attraktion wieder eingeführt wird."

Abgeschafft werden könnte die Druckprüfung der Technischen Betriebe (TBL), befand die Närrische Kolpingfamilie und hatte ihren Mottowagen mit Rohren verziert, auf der etwa TBL-Kamera zu lesen war. Das Zugmotto "Dat jitt et nur bei uns" ergänzte die KG Närrischer Familienverband gedanklich mit einem " nit mie" und zählte auf, was aus Opladen verschwunden ist: Finanzamt, Bürgerbüro, OKA

Kartonhaufen müssen nicht sein

Während es die 20-köpfige Truppe der Lanxess-Tochterfirma Saltigo auf ihrem Wagen — Motto in Anspielung auf den Fachhochschul-Campus in der Bahnstadt: "OP dem Campus weed Chemie jemaach, bis et stinkt un kraach" — dampfen und krachen lassen wollte, verärgerten die Neustadtfunken den Zugchef. Vielleicht weil das Brandenburger Tor auf ihrem Wagen zu sehen sein sollte, entledigten sie sich vor Zugstart einiger Kamelleverpackungen ins Straßenbegleitgrün. "Das muss nicht sein", schimpfte Luxem. Joachim Pawellek von der TBL-Straßenreinigung blieb gelassen, als er neben dem Prinzenwagen auch einen Karton-Haufen entdeckte: "Mich kann nichts schocken", sagte er mit Blick in Richtung seines 25-köpfigen Teams mit sieben Kehrmaschinen und einem Müllwagen. Er war wohl froh über Lea und andere Kamellejäger, die auch vom Boden gewissenhaft Leckereien sammelten und ihre Prinzengarde-Suppentassen den TBLern gaben.

(RP/url/jco)
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