Kreis Mettmann „Ältere Zuwanderer nutzen kaum Pflegeangebote“

Kreis Mettmann · Das Kreisintegrationszentrum hat die „kultursensible Seniorenarbeit“ zu einem wesentlichen Baustein seiner Arbeit erklärt.

 Armin Römer leitet das Kreisintegrationszentrum.

Armin Römer leitet das Kreisintegrationszentrum.

Foto: Kreis Mettmann

Im Interview erläutert Leiter Armin Römer die Hintrgründe dieses Themas.

Welche Angebote macht das Kreisintegrationszentrum, das die „kultursensible Seniorenarbeit“ zu einem zentralen Baustein der Arbeit erklärt hat? Was überhaupt meint dieser Begriff?

Römer Die kultursensible Seniorenarbeit soll die Lebensumstände älterer Menschen mit Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer individuellen Werte, kulturellen und religiösen Prägungen und Bedürfnisse in der Aufnahmegesellschaft so verbessern, dass eine diskriminierungsfreie Teilhabe am Alltagsleben möglich ist. Hierzu ist besonders notwendig, die für diese Gruppe zuständigen Institutionen und Einrichtungen unter interkulturellen Gesichtspunkten zu öffnen und weiterzuentwickeln. Dazu bietet zum Beispiel das Kreisintegrationszentrum auf Nachfrage Veranstaltungen für Einrichtungs- und Pflegedienstleistungen zum Thema interkulturelle Kompetenz an.

Ältere Menschen mit Migrationshintergrund suchen nur sehr selten die Pflege- und Wohngeldberatungsstellen der kreisangehörigen Städte auf. Woran liegt das?

Römer Die Gründe sind vielfältig und unterschiedlich. Zum einen werden bestimmte altermäßige Erkrankungen nicht gerne offengelegt (z. B. Demenz), zum anderen ist die Beratung bei den Pflege- und Wohnberatungsstellen häufig leider noch zu unbekannt oder – völlig zu Unrecht – den Betroffenen unangenehm. Dabei suchen die Kolleginnen und Kollegen aus den Pflege- und Wohnberatungsstellen Pflegebedürftige sogar zu Hause auf und können viele Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten aufführen.

Gibt es Kommunikationshemmnisse?

Römer Das Kreisintegrationszentrum hat Mitte 2018 das Angebot der Sprach- und Integrationslotsen ausgeweitet. So können seitdem alle Städte, Wohlfahrtsverbände, Vereine über das KI kostenlos einen Sprachlotsen anfordern. Die Sprachlotsen werden durch den Caritasverband für den Kreis Mettmann, die Awo Velbert, SprInt Wuppertal und SprInt Essen bereitgestellt. Dieses Angebot steht natürlich auch den Wohn- und Pflegeberatungsstellen im Kreis Mettmann zur Verfügung, sodass vorhandene Sprachhemmnisse abgebaut werden.

Offenbar wirken bei dieser Klientel die üblichen Informationskanäle (Presseartikel, Internetseiten der Kommunen, Flyer etc) nicht,  um auf die Angebote aufmerksam zu machen. Welche Wege müssten beschritten werden, um die Menschen zu erreichen?

Römer Tatsächlich ist dies kein spezifisches Problem bei Menschen mit Migrationshintergrund. Auch ohne einen solchen ist es sehr schwierig, Menschen in dieser sehr belastenden Lebensphase zu erreichen. Leider ist es sehr menschlich, sich erst mit Themen wie Pflege, Versorgung und Beratung auseinander zu setzten, wenn „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“. Insofern werden auch neue Wege beschritten, die Bürgerinnen und Bürgern zu informieren wie z.B. Beratungsangebote in Seniorenbegegnungsstätten, im Pflegestützpunkt der Pflegekassen oder auch Stände auf dem Wochenmarkt. Außerdem finden vereinzelt Vorträge in Moscheevereinen statt.

Wie sieht es mit der Kooperationsbereitschaft von Moscheevereinen und Integrationsräten als möglichen Multiplikatoren aus?

Römer Das Kreisintegrationszentrum führt mehrmals im Jahr Austauschveranstaltungen und Arbeitstreffen mit den Integrations- und Flüchtlingsberatungen der kreisangehörigen Städte durch und nimmt am Runden Tisch der Moscheevereine und der Dialogkonferenzen des Landrats mit den Islamverbänden im Kreis Mettmann teil. Hier gibt es für alle Teilnehmenden die Möglichkeit Themen anzusprechen und in den Mittelpunkt des Interesses zu setzen. Die Kooperationsbereitschaft der Gremien ist vorhanden und wird in der Arbeit als üblicher Informationskanal selbstverständlich in beide Richtungen genutzt.

Dann wiederum geht aus der Umfrage von 2014 unter den Pflege- und Beratungsstellen hervor, dass man keine Werbung für die Angebote betreibe, da man aus Zeitgründen ohnehin keine zusätzlichen Anfragen bedienen könne. Wie soll man mit einer solchen Aussage in Hinblick auf etwaige Projekte in Hinblick auf eine „kultursensible Öffnung“ umgehen?

Römer In den jährlichen Interviews mit den Ansprechpartnern der Pflege- und Wohnberatungsstellen in den zehn kreisangehörigen Städten wird regelmäßig die Frage gestellt, ob und in welchem Umfang Menschen mit Zuwanderungsgeschichte die Beratungsstellen aufsuchen. Hieraus wird deutlich, dass die Anzahl der Beratungen dieser Zielgruppe leicht zunimmt, im Vergleich aber noch einen geringen Teil ausmacht. Stationäre Pflege wird kaum nachgefragt, Interesse besteht z.T. an der Tagespflege, aber auch an finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten. Die Beratungsstellen stehen grundsätzlich allen Menschen offen.

Aus einer Stadt wurde berichtet, dass eine Informationsveranstaltung für Menschen mit osteuropäischem Hintergrund durchgeführt wurde. Andere Städte berichten, dass die Menschen mit islamischer Religionszugehörigkeit von den Moscheevereinen unterstützt und begleitet werden. Ein Bedarf an Projekten/Initiativen wurde nicht genannt, ist aber zwischenzeitig ein regelhafter Austauschpunkt.

Da man erkannt hat, dass auch in türkisch- oder arabischstämmigen Familien der Zusammenhalt bröckelt, weil viele junge Frauen einen Beruf ergreifen, geht man von einer steigenden Nachfrage nach Angeboten aus: Wie stellen sich die Städte darauf ein? Was ist in den letzten fünf Jahren an Ansätzen passiert?

Römer Von diesen Überlegungen sind wir auch ausgegangen. Tatsächlich ist ein solcher Anstieg bisher nicht bzw. kaum zu bemerken.

Gibt es Pflegeheime, die sich auf diese Klientel einstellen? (durch Gebetsräume, spezielle Essensangebote)

Römer Die stationären Einrichtungen haben bisher signalisiert, dass es noch keinen Bedarf an speziellen Angeboten gibt. Viele Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund können bereits jetzt realisiert werden, wie z. B. das Essen. Durch Pflegekräfte, die selbst einen Migrationshintergrund haben, wird eine Verständigung vereinfacht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort