Verseidag-Gelände in Krefeld Weltarchitektur wird Businesspark

Krefeld · Die von Mies van der Rohe geplanten Verseidag-Bauten sind gerettet. Unternehmer Wolf-Reinhard Leendertz hat das 80 000 Quadratmeter große Gelände gekauft. Dort entsteht ein Büro- und Gewerbepark – 40 Prozent sind vermietet.

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Die von Mies van der Rohe geplanten Verseidag-Bauten sind gerettet. Unternehmer Wolf-Reinhard Leendertz hat das 80 000 Quadratmeter große Gelände gekauft. Dort entsteht ein Büro- und Gewerbepark — 40 Prozent sind vermietet.

Es ist schon jetzt eine Erfolgsgeschichte — fast still und heimlich hat sich das alte Verseidag-Gelände zwischen Girmesgath und Weyerhofstraße im Nordwestbezirk seit 2009 gewandelt: aus dem vom Architekten-Weltstar Mies van der Rohe geplanten Fabrikgelände ist ein Büropark geworden.

Die Erfolgsgeschichte soll nun in großem Stile fortgeschrieben werden: Gestern präsentierte der Krefelder Unternehmer Wolf-Reinhard Leendertz, der das Areal gekauft hat, mit Günter Nauck von der Deutschen Gamma GmbH (ehemals Verseidag) und Architekt Georg von Houwald neue Pläne.

Fünf Millionen Euro sollen aktuell investiert werden, Büro- und Gewerbeflächen sowie ein eigener Gastronomiebereich werden im "Mies van der Rohe-Businesspark" entstehen. Erst vorgestern sind weitere Flächen vermietet worden. "Hier soll ein Wahrzeichen kreativen Wachstums in Krefeld entstehen", sagt Leendertz.

Im Kleinen will er mit seiner Fläche eine Entwicklung nehmen wie der Düsseldorfer Medienhafen. "Bauhaus trifft Business" nennt er sein Konzept, in dem sich Kultur, Kommunikation, Architektur, Kunst und Wirtschaft begegnen sollen.

Um die Entwicklung des 80 000 Quadratmeter großen Areals und die von Leendertz und Nauck bemerkte "Aufbruchsstimmung" am Standort einordnen zu können, lohnt der Blick in die Historie: Das Gelände gehörte ehemals der Vereinigten Seidenwebereien AG, dem traditionsreichen Textilunternehmen.

1931 erhielt der Stararchitekt, Bauhausdirektor und von den Nazis geächtete Mies van der Rohe von den beiden Krefelder Textilhändlern Seidenfabrikanten Josef Esters und Herman Lange den Auftrag, einen zweigeschossigen Büro- und Verwaltungsbau zu entwerfen (der weltweit einzige Industriebau, den Mies jemals errichtete!).

Hinzu kamen danach sukzessive die ebenfalls am Bauhaus orientierte alte Schlichterei, die gerade zu Büroräumen umgebaut wird, das alte Kesselhaus, aus dem in einigen Jahren eine Gastronomie werden soll, die Warendurchsicht mit dem markanten Uhrenturm sowie das Pförtnerhaus.

Das optisch auffällige, ehemalige Kraftwerk mit Schornstein gilt neben der Bauhausarchitektur als Wahrzeichen am Girmesgath. Viele Jahre lang florierte hier die Verseidag, brachte Reichtum in die Stadt.

Der architektonische Glanz wurde aber getrübt durch den wirtschaftlichen Abschwung; nach dem Verkauf der Verseidag zur Jahrtausendwende geriet mit der Wirtschaftskrise 2009 der neue niederländische Mutterkonzern Gamma und somit auch die in den Mies-Bauten sitzende Verseidag-Tochter Voss-Biermann, Lawaczeck (VBL) in finanziell schwieriges Fahrwasser. VBL musste in die Insolvenz gehen, weite Teile des Geländes waren plötzlich ohne Mieter.

An dieser Stelle kommt der Krefelder Unternehmer Wolf-Reinhard Leendertz ins Spiel, Geschäftsführer des Klettband-Herstellers Krahnen und Gobbers GmbH (Krago). Der 50-Jährige ist seit dem Tode seines Vaters Gerd im Jahr 2008 alleiniger Geschäftsführer des Unternehmens mit Sitz in Hüls. Krago ist seit fünf Generationen in Familienbesitz, 1854 als Seidenweberei gegründet.

Krahnen und Gobbers war ehemals ein Belieferer der Firma VBL; als die in die Insolvenz ging, musste Leendertz umdenken. Sein Hauptkunde war weggebrochen: viele Wochen war Leendertz deshalb zu Verhandlungen regelmäßig auf dem Gelände an der Girmesgath und verliebte sich in die Architektur der stillgelegten Textilmaschinenhallen, ließ sich auch vom deprimierenden Anblick ausgeschlachteter Maschinen, abgeschnittener Versorgungsrohre und völlig maroder Einrichtung nicht desillusionieren. Es wuchs in ihm der Plan, das komplette Areal zu erwerben und daraus einen Business-Park zu machen.

In mehreren Schritten erwarb er die Geschäftsanteile der Grundstücksgesellschaft Girmesgath GmbH & Co. KG. "Herr Leendertz ist ein Glücksfall für Krefeld, ein junger dynamischer Unternehmer mit tiefen Taschen", sagte gestern Günter Nauck, ehemals Verseidag und nunmehr Managing Director der Deutschen Gamma GmbH, die ihren Sitz noch immer im HE-Gebäude hat.

Noack ist es auch, der die neue Entwicklung des Areals mit vorantreibt. Er betont, welchen Wert die Mies-Bauten für die Stadt Krefeld — in den vergangenen Jahren seien Architekturexperten teilweise in Bussen in Krefeld vorgefahren. "Einige alte Mies-Kenner aus Amerika, die sich ein Leben lang mit seiner Architektur befasst haben, standen hier im Flur und hatten die Tränen in den Augen, so beeindruckt waren sie vom HE-Gebäude", sagte Nauck.

Über den konkreten Kaufpreis wollte Leendertz gestern nicht sprechen; er sagte bei der Pressekonferenz aber, auch alte Hypothekenschulden in Höhe von 500 000 Euro übernommen zu haben. "In den ersten Monaten habe ich sehr schlecht geschlafen, mittlerweile schlafe ich nicht mehr ganz so schlecht, aber immer noch nicht gut", sagte er.

Leendertz sucht jetzt für das Areal weitere Mieter, 12 000 Quadratmeter Büroflächen stehen bereit, dazu 10 000 Quadratmeter Gewerbeflächen in Größen zwischen 300 und 1000 Quadratmetern für kleine und mittelständische Unternehmen. Der komplette vordere Bereich soll zu Büroflächen werden.

Zu den jüngsten Mietern gehören die B+B Anlagenbau GmbH mit Stammsitz in Krefeld, die im Oktober eine 500 qm große Fläche in der 2. Etage des HE-Hochhauses angemietet hat. Im Januar 2013 wird die VBG Group Truck Equipment GmbH an die Girmesgath ziehen.

Im hinteren Teil des Businessparks stehen alte Backsteingebäude, in die weitere kleine Gewerbebetriebe, Handwerker und Künstler einziehen sollen. Leendertz spricht von einem "Mies van der Rohe-Effekt", der bei ihm eingesetzt habe, die offene Architektur inspiriere und beflügele. Die Wirkung erhofft er sich auch für sein Projekt. Sein Ziel: Bis 2015 soll eine Auslastung von 80 Prozent erreicht sein.

(RP)
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