Krefeld Wohnen nach Mies' Ideen
Krefeld · Ludwig Mies van der Rohe wäre in diesem Jahr 125 Jahre alt geworden. Nicht alle Entwürfe des Bauhaus-Architekten sind umgesetzt worden. In einer kleinen Reihe stellen wir eine städteplanerische Utopie im Sinne van der Rohes vor.
In Wahrheit sei Baukunst nur als Lebensvorgang zu begreifen, davon war Mies van der Rohe überzeugt. Baukunst ist ihm zufolge der Ausdruck dafür, wie sich der Mensch gegenüber der Umwelt behauptet und wie er sie zu meistern versteht. Notwendige Voraussetzung baukünstlerischen Schaffens sei die Kenntnis der Zeit, ihrer Aufgaben und Mittel.
Was liegt demnach näher als in einer Stadt wie Krefeld, die mit Haus Lange und Haus Esters zwei Villen des weltbekannten Architekten zu Vorzeigeobjekten ihrer Kultur gemacht hat, und gleichzeitig in ihrer Innenstadt einige stadtplanerische Wunden nicht zu heilen vermag, als sich des Baumeisters Ausführungen zum Thema "Wohnen in der Stadt" einmal genauer anzuschauen und auf ihre Übertragbarkeit zu prüfen?
Optimistische Stadtentwicklung
Für Mies' Freund und Mitarbeiter Ludwig Karl Hilbersheimer machten Formen, Beziehungen und Dinge die urbane Umgebung aus. Mit ihm und Alfred Caldwell realisierte Mies 1955 in Detroit seine größte Wohnanlage, Lafayette Park, als moderne Variante der Gartenstadt. Ein Beispiel für optimistische und vitale Stadtentwicklung, das bis heute funktioniert. Inmitten einer Parklandschaft liegen ebenerdige und zweistöckige Flachbauten mit breiten Fensterfronten, deren Fassaden in Weiß und Hellgrau gehalten sind. Glas-Hochhäuser beherbergen Appartements.
Schon 1931 hatte Mies auf der Berliner Bauausstellung die Abteilung "Wohnung unserer Zeit" geleitet. Dort ließ er in Originalgröße ein Modellwohnhaus aufbauen, das ästhetische Prinzipien des Barcelona-Pavillons mit Wohnzwecken vereinte. Die Entwürfe jener Jahre wurden nie verwirklicht. Welches Entwicklungspotenzial in den Ideen Mies schlummert, lässt sich aber unschwer seiner Studie über eine Serie von Hofhäusern entnehmen.
Alles auf Anfang also: Lassen Sie uns eingefahrene Spuren verlassen und "spinnen". Gemeinsam mit einem, der Mies van der Rohe noch persönlich kannte: Ernst J. Althoff (82), emeritierter Professor für Architektur an der Kunstakademie Düsseldorf, der in den 50er Jahren im Team von Hans Schwippert arbeitete und innerhalb der von Egon Eiermann konzipierten deutschen Pavillons der Weltausstellung von Brüssel (1958) den Bereich "Haus und Wohnen" entwarf.
Bevor das Krefelder Mies-Quartier 2011 Gestalt annimmt, sei ein weiterer Blick in die Geschichte gestattet. Wohnen in der Stadt war aus wechselnden Gründen Jahrhunderte lang erstrebenswert. Man wohnte und arbeitete in der Stadt. Das Wachstum der Stadt Krefeld mit ihren zahlreichen Erweiterungen ist beredtes Zeugnis dieses Phänomens. Dann fielen im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs ganze Straßenzüge in Schutt und Asche und hinterließen unbehauste Menschen zuhauf, für die möglichst schnell und zweckmäßig neuer Wohnraum zu schaffen war.
Sozialer Wohnungsbau geschah in der Regel in Randbezirken, der innerstädtische Raum blieb weitgehend Geschäftsgebäuden und öffentlichen Bauten vorbehalten. Und so kam es, dass nach Ladenschluss die Gehsteige hochgeklappt wurden; ausgenommen die Partyzonen, die in bestimmten Vierteln entstanden.
Seit einigen Jahren weisen Soziologen darauf hin, dass hierzulande Städte zu schrumpfen begonnen haben: Es kommen weniger Menschen zur Welt als aus ihr scheiden. Für Architekten, so sagt Althoff, bedeutet das vorrangig, dass es wieder mehr Raum gibt, und Häuser sich wieder hinlegen dürfen. Unser Blick richtet sich in dieser kleinen Serie auf Mies van der Rohes Hofhaus-Typ, die als Vorbild für das Krefelder Mies-Quartier dienen soll.